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Deine Geschichten saug ich auf wie ein Vampir

CD / GEORG CLEMENTI / ZEITLIEDER 2

12/11/14 „Erzähl jedes Detail, hör bloß nicht auf“ heißt es in einem der „Zeitlieder“. Georg Clementi hört auf die großen Themen – und eben auch auf die Einzelheiten. Drum hatte sich in seinem Kopf genug Stoff angesammelt für eine zweite CD mit „Zeitliedern“.

Von Reinhard Kriechbaum

„Deine Geschichten saug ich auf wie ein Vampir“, heißt es im gleichen Lied. Na ja, so schlimm ist es nicht. Aber Georg Clementi ist ein bekennender „Zeit“-Leser. An jeder Ausgabe dieser Wochenzeitung könnte man gut und gerne einen Monat zehren, schon deshalb geht ihm das Material für seine Chansons nicht aus. Und weil’s eben nicht die Bildzeitung ist und auch nicht der Lokalteil irgendwelcher Blättchen, ist er mit der „Zeit“ als Inspirationsquelle gefeit vor allzu plattem Zeitgeist. So nahe die Themen also auch an unserem Leben sind: Der Horizont ist über-zeitlich.

Mit Anna geht’s los, die so viel und das alles so vorbildlich tut, dass ihre Facebookseite wohl Staunen macht. „Aber sie hat nie Zeit genug … für den Therapeuten zum Beispiel“. Der wäre notwendig, weil das Burnout mindestens so nachhaltig in ihr vibriert wie das iPhone in der Handtasche. Da werden wir dort abgeholt, wo wir stehen. Mit den „Zeitliedern 2“ nimmt Georg Clementi uns aber mit auf Aussichtspunkte, von denen aus wir mehr und konturenstärker wahrnehmen.

„Ich kann nur billig“ gerät zur apokalyptischen Genre-Szene: Hat der Billigkäufer zuerst noch für Rita an der Supermarkt geschwärmt, so meidet er zuletzt gerade sie, deren tristes Leben er mit seiner „Geiz ist geil“-Mentalität mit verursacht. Zu deutlich zehren am Aussehender jungen Dame die Folgen prekärer Arbeitsverhältnisse.

„Schwein gehabt“ entpuppt sich als eine Anklage für unseren Lebensmittelkonsum: „Sie wollen das nicht hören / warum sollen sich nur Menschen, nicht Schweine auch empören?“ Dinge umkrempeln oder „Nichts tun“? Der finale Kontrast zur bienenemsigen „Anna“ am Beginn ist ein Loblied auf die Lethargie an unerwartetem Ort.

Zum Chanson gehören mehrere: Der flexible Sound der Akkordeonistin Sigrid Gerlach-Waltenberger und des Gitarristen Tom Reif, die mit Clementi spiegelt bewährtes Teamwork. Berührend das nur vom Akkordeon begleitete „Ich wollte beten“, in dem sich aber herausstellt, dass Gott Auszeit genommen hat, aus unterschiedlichen, aber plausiblen Gründen. Auch das „Lied eines ungeborenen Mädchens“ geht nahe: „Ich glaube ganz fest, sie hätten mich gemocht.“

Wie sparsame Würze kommen die Beiträge von Klemens Lendl (Violine) von dem legendären Wienerlied-Duo „Die Strottern“, Herb Berger (Klarinette und Bassklarinette) und Robert Kainar (Percussions) ins Spiel.

Clementi bringe „so etwas wie südländische Leichtigkeit“ ein und „in den kritischsten Liedern schwingt noch eine ansteckende Lebenslust mit“, hieß es in einer Besprechung der „Zeitlieder“. Stimmt, er ist ja doch Sanguiniker, auch wenn er in „Der Sommer dieser Blender“ versichert, ein Melancholiker zu sein, „der die Sonne nicht kennt“.

„Zeitlieder 2“. Georg Clementi (Gesang), Sigrid Gerlach-Waltenberger (Akkordeon), Tom Reif (Gitarren, Percussion) u.a. – zeitlieder.de

CD-Präsentation und Konzert am Freitag (14.11.) um 20 Uhr im Kleinen Theater – www.kleinestheater.at

Bild: Stefan Dokoupil

 

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