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Die Lust am Diesseits nicht vergessen

LANGE NACHT DER KOMPONISTEN

14/11/16 Als der Abend beginnt, ist der Fasching gut neun Stunden alt und der Tod von Leonhard Cohen durch alle Medien gegeistert. Der von Ilse Aichinger noch nicht. Eine lange Nacht der Komponistinnen und Komponisten am Freitag (11.11.) im Solitär: gegendert und kontemplativ unter dem Motto „Brücken zur Spiritualität“.

Von Erhard Petzel

Der in sich gefestigte Kreis der IG Komponisten bietet ein Abbild der Außenwelt, in dem den Verstorbenen in den eigenen Reihen ebenso gedacht, wie den Nachfolgern eine Plattform eingerichtet wird, auf der sich die eigene Wesenheit in der Welt manifestiert. Und von der Welt hätte man mehr Aufmerksamkeit erwarten dürfen. Die Werke des dreiteiligen Abendzyklus sind ob ihrer Kürze und Prägnanz doch gut zu hören, Vielfalt ist zu erleben und wer mag, kann strukturelle Bausteine durchgehend beobachten. So enttäuschte die etwas schüttere Befüllung der Reihen, die in drei Blöcken angeordnet sind, mit einer Zusatzbühne mitten im Raum für Streichquartette und weitere Kleinensembles.

Zwanzig Komponisten und Komponistinnen lieferten Beiträge zum Thema Spiritualität. Erstmals standen auch Werke von jungen Studierenden auf dem Programm. Die Lange Nacht der Komponistinnen und Komponisten ist traditionell ein Gemeinschaftsprojekt der Internationalen Gesellschaft für Neue Musik, der IG Komponisten Salzburg, des ORF sowie des Ton- und Videostudios der Universität Mozarteum.

Der Blick in die Nacht durch die Glasfront des Solitär ist leider abgedeckt: Ein Opfer für Aufnahme- und Saaltechnik, deren Aufwand deutlich macht, dass es sich um eines der lokalen Festivals handelt, ohne die es ein eingeschränktes Fundament für den internationalen Glanz der Stadt gäbe. Hier bedürfte es nicht nur Brücken der Spiritualität, sondern solcher über die Wirkungsgrenzen der Institutionen und Körperschaften hinweg zum Kulturbürger…

Wolfgang Danzmayr und Klemens Vereno moderieren den Abend, wobei ihre eingebrachten Werke prototypisch für den Charakter des jeweiligen Konzertteils stehen. So entwickelt sich in Verenos „Nachtstück“ Nr. 1 für Klavier ein impressionistisches Klanggewebe aus der Invention eines Tritonus, während in Nr. 2 das Spiel mit Quinten spätromantische Sekundvorhalte in den melodischen Phrasen assoziiert. Im Dauereinsatz: Fausto Quintabá. Dieser Anklang an Tradition findet sich schon zu Beginn mit Helmut Eders „Pastorale für Streicher“ über Zitate aus Bachs Weihnachtsoratorium, setzt sich in der an eine Passacaglia erinnernde Doppelton-Struktur von Reinhard Febels „Hyperklavier 3“ fort und verliert sich in Herbert Grassls Intermezzo „Sehnsucht“ als selbstversunkenes Spiel über klanglich moderierte Orgelpunkte eines Melancholikers.

Ist Spiritualität im ersten Teil Gegenstand einer Untersuchung, düstert sich der zweite Teil ein. Nach dem vierten Satz von Gerhard Wimbergers Streichquartett und Johannes Kotschys Vibraphonstück „Verwehendes Nichts“ widmet Danzmayr sein Celloduo „Eigendynamik zu zweit“ denen, die den Verlust eines geliebten Wesens ertragen. Zeit und Schatten besingt Alexander Müllenbach in seinem „Quartett auf das Ende vom Lied“, worauf sich Leo Morello bei Katrin Kloses „Kham“ an Cello und schamanisch aufgeladener Rahmentrommel abarbeitet. Desgleichen Ferdinand Steiner mit Andreas Aigmüllers Cadenza für elektrifizierte und Bassettklarinette. Höhe- und Schlusspunkt „Danach, darüber…“, ein Versuch über die letzten Dinge von Johannes Krall in Text und Musik. Das Schreien seines inneren Kindes emaniert sich in Johannes Forsters knabenhaftem Countertenor als Wort- und Sinninseln über dem existentiellen Sieden des größten Ensembles des Abends unter Dirigent Martin Fuchsberger.

Der Text von Urban Östlunds „Es ist nun alles innerlich“ stammt von der Sängerin selbst, Katrin Heles. Thematisiert sie auch das Glück, stellt uns Mert Kocadayi mit „Bir Adan ya da Bir Ada“ auf eine tote graue Insel der Unerträglichkeit. Glänzende Klangflächen in Theodoros Gkoukousoudis „Metalaxis“; ein Atem- und Ploppgeräusch-Duo zwischen Flöte und Klarinette in Achim Bornhöfts „Lack 1“; ein vom Einzelton aus entwickeltes „BruchStück 8“ für Violine von Christian Ofenbauer… Den dritten Teil der Langen Nacht schließt das Klaviertrio „Paeseng“ von John Hwang ab.

Viel Applaus für die künstlerische und organisatorische Glanzleistung, für die musikalische Qualität der Ensembles Acrobat und Names. Hervorzuheben ist das Programmheft mit abgedruckten Noten aus den gespielten Werken und allen Texten!

Die Grundhaltung des Konzerts findet sich in der Konzertreihe „ZEIT – AUS – ZEIT“ wieder: Neue Musik zum Innehalten im Bösendorfer-Saal der Universität Mozarteum am 5., 12. und 19. Dezember jeweils um 13.30 Uhr. Möge die Neue Musik in Salzburg die derbe Lust am prallen Diesseits nicht vergessen.

Das Programmheft zum Nach-Lesen und Nach-Studieren - www.uni-mozarteum.at

 

 

 

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