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Die Schönheit und der Sturm des Todes

DIALOGE / MOZART-REQUIEM

05/12/16 Es gibt in Salzburg Rituale, auf die man sich verlassen kann. Zum Beispiel die Aufführung des Regionalheiligtums Mozart-Requiem am Ende der Dezember-„Dialoge“ im Großen Saal, diesmal am Sonntag (4.12.), am Vorabend des Todestags von Mozart. Schön, dass zuvor immer Musik der Gegenwart erklingt.

Von Gottfried Franz Kasparek

Ganz am Anfang stand allerdings das „Libera me“ des vis-a-vis von Mozart geborenen Sigismund Neukomm. In Brasilien als Abschluss einer Aufführung des Mozart-Requiems entstanden, verknüpft das kurze Stück festliche Klassizität mit Mozarts Introitus-Thema zu einer effektvollen Finalszene, die von Camerata, Bachchor und Maxime Pascal am Pult gehörig ausgekostet wurde.

Maxime Pascal ist mit seinem körperbetonten Dirigieren von hinten betrachtet eine treffliche Verkörperung jenes „Kapellmeisters Kreisler“, den der ironische Romantiker und Mozart-Apostel E.T.A Hoffmann verewigt hat. Trotz mitunter geradezu skurriler Gestik wirkt das bei dem hochbegabten jungen Mann aber nicht als Show, sondern als emotionales Unterstreichen dessen, was er will – und noch nicht immer erreicht. In Wolfgang Rihms Chor-Orchesterwerk „Stille Feste“ ging freilich alles gut. Rihm hat das lange Poem des Novalis, in welchem die Toten ihre Genüsse im Jenseits durchaus kulinarisch und sinnlich preisen, nicht bloß mit kluger Zurückhaltung, sondern auch in erfreulich romantischer Grundhaltung vertont. Anders ist diesem Postulat der Todessehnsucht ja auch kaum beizukommen. Die wohltönend fließende Melodik des madrigalesken Chorsatzes und die nur mitunter geschärfte, nahezu balsamische Begleitung durch das Orchester verwandeln sich erst gegen Ende des halbstündigen Stücks in ein meisterhaft geformtes Klangpanorama, in dem es auch dissonante Fragen gibt, ehe die Zeit des „Erdgeists“ vorbei ist. Der von Alois Glaßner perfekt einstudierte Salzburger Bachchor sang das mit sonorer Selbstverständlichkeit, die Camerata steuerte viele sensible Klangfarben bei.

Spirituell gestärkt ging man in die Pause. Danach also das Requiem aller Requien. Auch da agierten Chor und Orchester ohne Fehl und Tadel, mit an die Grenzen des Saals reichender Lautstärke und hellem, barockem Blech, doch auch mit manch feinerer Innigkeit. Schade, dass dies im Quartett der Vokalsoli keine Entsprechung fand. Da bemühten sich zwar die tauglich lyrische Sopranistin Julie Fuchs und der recht profunde Bass François Lis mehr als nur rechtschaffen. Doch die Besetzung mit einem Altus überzeugte gar nicht, denn Rodrigo Ferreira verschluckte die Hälfte seine Parts und was zu hören war, klang erschreckend gequält. Für den sympathischen jungen Kubaner ist zu hoffen, dass er einen schlechten Tag erwischt hat. Die schmale Sauberkeit wiederum, mit der Manuel Nuňez Camelino die Tenorsoli sang, ließ nicht überhören, dass hier ein Monostatos am Werk war, wo man doch lieber einen Tamino hören würde.

Ein derart eindruckloses Benedictus hätte jedenfalls nicht passieren dürfen, auch wenn der Maestro noch so verzweifelt mit den Armen ruderte. Ansonsten setzte Pascal auf große Dichte der dramatischen Entfaltungen, was dank der Präzision der Kollektive starken Eindruck machte. Dass dieses Stürmen und Drängen ein bisschen mehr poetisches Verweilen braucht, um nicht zu verpuffen, muss er noch lernen. Freundliche Zustimmung galt allen Mitwirkenden. Dass der Applauspegel beim Chor immer stieg, verwunderte nicht.

Bilder: ISM / Alex Hoerner

 

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