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SOMMERAKADEMIE MOZAERTEUM / PORTRÄTKONZERT CERHA

06/03/17 „Ich habe bis in mein siebentes Lebensjahrzehnt mit großer Achtsamkeit zu vermeiden gesucht, mich zu wiederholen, ja auch nur ähnliche Charaktere wieder aufzunehmen. Der Weg auf dem ich suche, führt notgedrungen zu mir selbst. Es geht also auch noch immer darum, neue Seiten an mir selbst zu finden. Das intensive Erleben von Musik ist ein Weg in sich hinein – auch für den Zuhörer.“

Von Heidemarie Klabacher

Intensives, spannendes, technisch brillantes Musizieren für den Komponisten und das Publikum: Das Porträtkonzert Friedrich Cerha zum Neunziger, geplant im Rahmen des Cerha-Schwerpunktes der Sommerakademie Mozarteum 2016, wurde kranheitswegen in den März 2017 verschoben. Das Konzert mit dem Klangforum Wien – in Anwesenheit des Komponisten und seiner Gemahlin nachgeholt am Freitag (3.3.) im Solitär – war eine Sternstunde klassischer zeitgenössischer Musik auf höchstem Niveau. Auf dem Programm standen Werke Cerhas aus verschiedenen Phasen dieses so überreichen Komponisten-Lebens.

Eröffnet haben den Abend Sophie Schafleitner und Florian Müller mit einer ebenso energiegeladenen wie federleichten Interpretation der „Deux éclats en reflexion“ für Violine und Klavier: ein Werk des jungen Cerha, geschrieben 1956 im Rahmen der „Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt“, die damals zum zehnten Mal stattfanden und bereits Weltgeltung erlangt hatten.

Dann „Acht Bagatellen für Klarinette und Klavier, „kleine“ Stücke, musiziert von Bernhard Zachhuber und Florian Müller als ein organisches Auseinander-Hervorgehen von großen klangvollen Linien, Passagen rhythmisch launig repetierter Einzeltöne oder expressiver Bewegtheit, von Bildern Debussy'scher Weite (auch in der Miniatur) oder fein sich auffächernder Klangspektren.

Diese großen „Bagatellen“ aus 2009 gehören zusammen mit den „Drei Stücken für Violoncello und Klavier“ aus 2013 und den „Acht Sätzen nach Hölderlin-Fragmenten für Streichsextett“ aus dem Jahr 1996 bereits ins junge und jüngste Schaffen Cerhas. Der Cellist Andreas Lindenbaum spielte, wiederum mit dem Pianisten Florian Müller, die drei Cellostücke wie eine – vom Aufbau her – klassische Sonate, von der großen Kantilene des ersten Stückes, über das rhythmisch bewegte zweite bis hin zur ruhevollen Stille nach der anfänglichen dramatischen Expressivität des dritten Stückes.

Sieben der „ Acht Sätze nach Hölderlin-Fragmenten für Streichsextett“ sind farbenreiche Charakterstudien samt „Hummelflug“ durch die Instrumente, Klang gewordener Ruhe oder choralartigen Zitaten. Das achte „Fragment“ – die unendliche Wiederholung einer in diesem Extrem sich verselbständigenden Schluss-Phrase – ist in der Interpretation des Klangforums Wien von enormer Sogwirkung. Zu den bereits erwähnten Streichern Sophie Schafleitner und Andreas Lindenbaum traten für die betörend klangsinnliche und stupend präzise Wiedergabe dder Hölderlin-Fragmente noch Gunde Jäch-Micko, Violine, Dimitrios Polisoidis, Viola, Petra Ackermann, Viola und Benedikt Leitner, Violoncello.

Mit dem 2012 entstandenen „Liederzyklus nach Texten von Ilija Jovanovic“, gewohnt textdeutlich ausgestaltet und technisch souverän gesungen vom Leiter der Internationalen Sommerakademie Mozarteum, dem Bariton Wolfgang Holzmair, war im Porträtkonzert auch ein eindrückliches Beispiel aus dem Liedschaffen Friedrich Cerhas vertreten.In den ironischen Gedichten ist ganz ohne Wehleidigkeit, höchstens mit einem gelegentlichen Anhauch von Wehmut, von der Einsamkeit im Altwerden und dessen sonstigen Folgen die Rede. Cerha vertont diese Emotionen mit ebenso viel Ironie und Understatement. Unterstützt in der Vertonung aber auch die Strenge des Textes: „LEGE DICH, du alter Baumstamm, auf die schwarze Erde, warte in deiner Einsamkeit bis ein Blitz in dich einschlägt und dich entzündet, damit du nicht verfaulst sondern brennst.“

Wolfgang Holzmair leuchtet diese facettenreichen Lieder mit seiner Gestaltungskraft zusätzlich aus, macht aber nicht nur Ernst, sondern lässt auch die Ironie aufleuchten: „EI IHR JAHRE, was habt ihr aus mir gemacht? Gestern konnte ich noch Polka tanzen den Goliath mit meiner Schleuder töten und mit dem Bogen einen Pfeil durch die Ösen aller Äxte schießen. Jetzt schaffe ich es nicht einmal den Faden durch das Nadelöhr zu ziehen.“

Bild: dpk-klaba