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Packend, auch ohne Massen und Pracht

BACHWERK VOKAL / MATTHÄUSPASSION

27/03/17 Matthäuspassion kammermusikalisch – hm. Hat das Sinn? Ja. BachWerkeVokal unter der Leitung von Gordon Safari trat am Sonntag (26.3.) in der Christuskirche den Beweis an, dass es durchaus möglich ist, mit relativ spartanischer Besetzung – wenn auch nicht ohne Risiko - Bachs große Passionsmusik spannend zum Publikum zu bringen.

Von Christiane Keckeis

Im Zentrum der Aufführung stand ein mitreißender Erzähler, der die Geschichte ganz nah am natürlichen Sprachduktus vermittelte, mit fantastischer Textdeutlichkeit, dramatisch nur so weit nötig, unaufdringlich, aber lebendig mit allen emotionalen Farben und – auswendig: Maximilian Kiener nimmt die Zuhörenden unwiderstehlich mit durch die drei Stunden des Passionsgeschehens. Ein bisschen magisch.

Auch der Christus von Elliott Carlton Hines strahlt Charisma aus: stimmlich wie optisch. Sein gut geführter Bassbariton hat den Balsam und die Kraft, über den ein Heilsbringer verfügen sollte – und wenn er auch keine typische Alte-Musik-Stimme hat, gelingt ihm die Quadratur des Kreises zwischen Bach und italienischem Stimmfach.

Gordon Safari sucht in seiner Interpretation einerseits den großen Fluss, andererseits die liebevolle Ausdeutung und Sichtbarmachung kleinster figuraler Details, was oft sehr spannend, manchmal etwas riskant ausfällt. Die Hauptarbeit liegt gelegentlich darin, den Apparat zusammenzuhalten, aber es gelingen auch sehr dichte und fesselnde Momente. In den beiden minimal besetzten Orchestern, die entsprechend der Doppelchörigkeit jeweils einem Chor zugeordnet sind, hat Safari hervorragende Musiker und Musikerinnen seines Barockorchesters Kontra.Punkt zusammengestellt, die sich in den Arienbegleitungen auch als sensible und virtuose Solisten beweisen. Vorzüglich beispielsweise an der Gambe ist Christoph Urbanetz. Katharina Büll, Violine, und Moritz Plasse, Traversflöte, sorgten für ausnehmend schöne Momente.

Der Orchesterklang ist, angesichts der Besetzung und auch der eher stumpfen Akustik der Kirche nicht verwunderlich, sehr schön transparent. Safari arbeitet intensiv mit Farbgebung und Dynamik, aber auch die klangvollen Tuttistellen sind durchaus überzeugend.

Junge Sängerinnen und Sänger, viele Studierende oder gerade nicht mehr Studierende am Mozarteum, bilden den 25-köpfigen Chor oder besser: die beiden Chöre. Die Doppelchörigkeit wird in der benachbarten Aufstellung nicht wirklich hörbar. Nichtsdestotrotz: der (etwas männerlastige) Klang, die gute Textdeutlichkeit, die fein gearbeitete Dynamik, Engagement und Präsenz sind sehr erfreulich. Die überwältigende „Turba“-Wirkung hält sich naturgemäß freilich in Grenzen. Gelegentlich wünscht man sich etwas mehr Kraft und Klang von den Sopranen, aber vielleicht drosselt Safari hier ja mit Absicht.

Viele heikle schnelle Einwürfe übernimmt das wirklich wunderbare vier- bis achtköpfige Solistenensemble: Das ist an Präsenz und Schlagkraft kaum zu überbieten. Die kleineren Chorsoli zeigen, welch schöne Stimmen Safari versammelt hat. Bei den Arien kommen auch die jungen Sängerinnen und Sänger zum Zug. Allesamt gestalten sie stilistisch sehr schön im Bereich ihrer (teilweise noch unfertigen) Möglichkeiten: Artikulation, Phrasierung, Fluss – die ein oder andere Überforderung ist da schnell vergessen. Die Altistin Melissa Zgouridi lässt mit einem sehr aparten Timbre und einer innigen Gestaltung besonders aufhorchen.

Auch die sonstigen protagonistischen Soli von Pilatus (Chi-An Chen), Judas (Aron Axel Cortes), Pontifex (Alexander Voronov) und Petrus (Roland Faust) bringen sich musikalisch wie emotional überzeugend ein.

Mit einem überlangen Vorhalt im Schlussakkord geht die Passion zu Ende. Und es ist keine Frage mehr: Bachs Matthäuspassion packt die Menschen auch, wenn sie nicht mit Massen und Pracht musiziert wird. Begeisterter Beifall.

Bild: www.gordonsafari.com

 

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