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Des Lebens tiefste Weisheit liegt im Wein

MOZARTEUMORCHESTER / SONNTAGSMATINEE

26/02/18 Wolken. Feste. Sirenen. Und Wellen natürlich. Claude Debussy hat den „Trois Nocturnes“ oder „La Mer“ sprechende Titel gegeben, aber keine klingenden Bilder komponiert. Mirga Gražinytė-Tyla, vormals Opernchefin des Landestheaters, seit 2016 in der Nachfolge von Simon Rattle Musikdirektorin des City of Birmingham Symphony Orchestra, kehrte für die vierte Sonntagsmatinee (26.2.) zurück ans Pult des Mozarteumorchesters.

Von Heidemarie Klabacher

„Trios Nocturnes“ und „La Mer“ von Claude Debussy. „Ein Lächeln“ – also „Un Sourire“ – von Olivier Messiaen und – als besondere Rarität – „Des Hafis Liebeslieder“ von Karol Szymanowski: Das Mozarteumorchester unter der Leitung von Mirga Gražinytė-Tyla entführte in schillernde Klangwelten. Die Dirigentin gestaltete die „impressionistischen“ Klänge mit federnd-leichter Hand und vorwärtsdrängender Stringenz. Indem sie sich des nur gefühligen Bades im ätherischen Wohlklang enthielten und auch die rhythmischen Akzente bravourös herausarbeiteten, brachten die Dirigentin und das Mozarteumorchester Werke dieses Vormittags auf jenen Punkt, an dem sie zu leben beginnen.

Die Wolken, Nuages, zogen als sich ständig verändernde Klangschattierungen vorüber. Das Fest, Fétes, als großes Crescendo an rhythmisch pulsierender Intensität - durch das nur gelegentlich ein Harlekin zu irrlichtern scheint. Und die Sirenen ließen ihre unendliche Kantilene mit den Linien der Orchesterinstrumente verschmelzen. Dabei gab es eine besondere Überraschung, als zum dritten Nocturne der groß besetzte „Salzburger Festspiele und Theater Kinderchor“ auf die Bühne kam. Die große Unisono-Melodie des zart aber sicher singenden Chores verschmolz auf betörende Weise mit dem schillernden Orchesterklang.

Auch die drei Episoden von Debussys „La Mer“ gestaltete Mirga Gražinytė-Tyla in einem großen Bogen, an dessen „Ende“ die Meereswogen dramatisch an eine imaginäre zyklopische Hafenmauer anbrandeten. Menschliches Maß hat das freundliche, da und dort an Schlagwerk durchzuckten Wagner, erinnernde „Lächeln“ von Olivier Messiaen. Der Klangmaler hat das kleine Werk im Auftrag des polnischen Dirigenten Marek Janowski und von Radio France im Mozartjahr 1991, ein Jahr vor seinem Tod, geschrieben.

Höhepunkt der vierten Sonntagsmatinee im Großen Festspielhaus war die Begegnung mit dem Zyklus „Des Hafis Liebeslieder“ für hohe Stimme und Orchester op. 26 aus der Feder des polnischen Komponisten Karol Szymanowski (1882 bis 1937). Die Texte stammen aus der selben Quelle, die schon Gustav Mahler für sein „Lied von der Erde“ anzapfte, aus der Gedichtsammlung „Die chinesische Flöte“ von Hans Bethge. Acht Lieder führen vom Liebes- über das Tanz- und Trinklied zur großen klangsinnlichen Schilderung vom Grabe Hafis, des großen persischen Dichters und Mystikers, der schon Goethe inspiriert hat. Szymanowski hat die auf Deutsch geschriebenen Gedichte in einer polnischen Übersetzung vertont. Gesungen hat die großen schwebenden Orchesterlieder der polnische Tenor Tomasz Zagórski – mit Leichtigkeit bis in die höchsten Lagen, mit technischer Souveränität in Lagenwechsel und gestalterischem Gespür in der Linienführung. Wenn man den Text nicht verstanden hat, lag es an mangelnden Polnisch-Kenntnissen, nicht an der Artikulation des Sängers Tomasz Zagórski, deren Präzision man sogar in der Fremdsprache erkennen konnte.

Anders als Gustav Mahlers „Trinklied vom Jammer der Erde“, das ja doch nur den Tod zu bannen versucht, ist Szymanowskis „Trinklied“ tatsächlich ein großes Lob auf den Wein und seinen Gaben, vor allem seine Wirkung als Fluchthelfer aus der Welt, die nicht geleugnet, sondern angestrebt wird: „Fort mit allen gleißenden Gedanken“, heißt es da oder „des Lebens tiefste Weisheit liegt im Wein“. Nicht ganz „korrekt“, solche Verklärung des Alkoholkonsums – doch welch schöne mitreißende Lieder. Besonderer Dank an Orchester, Dirigentin, Sänger – und natürlich Programm-Erfinder – für diese ganz besondere Begegnung.

Bilder: mirgagrazinytetyla.com/Frans Jansen (1); www.agenturmarx.com/Ksenia Shaushyshvili (1)

 

 

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