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Verzupft und vergeigt

OENM / ZYKLUS

21/01/19 Mangel an kreativ-klanglicher Artenvielfalt. Sehnsucht nach mehr Ökonomie im Einsatz der Langeweile-Ereignisse. Nicht alles was Neue Musik ist, haut auch gleich vom Hocker. Nicht einmal dann, wenn ein Quartett für eine beliebige Zahl von Blasinstrumenten auf vier Sitzbänken a zwei Musiker ausgeführt wird. Gegen Schubert lässt es sich wirklich nur schwer anwinseln.

Von Erhard Petzel

Die Uraufführung stammte vom jüngsten der Komponisten an einem Abend, dessen Spektrum an Generationen von Komponisten Neuer Musik breit angelegt war: Gabriel Paiuk, Jahrgang 1975, stellte mit The construction of an imaginary acoustic space auch das aufwendigste Werk im zweiten Zykluskonzert des Österreichischen Ensembles für Neue Musik.

Zum Kammerstreichensemble kommen Klarinette, Posaune, Klavier, Synthesizer und Einspielungen. Klangflächentableaus im Spiel originaler Instrumente und verfremdet eingespielter Klänge im Spannungsfeld modulierfähiger Dauertöne und dem Verklingen von Klaviersaiten tragen - bei trägem Bewegungsduktus - dynamische Strukturen und farbige bis kräftige Nuancen. Prototypisch reihte sich das Werk bei seiner Uraufführung am Samstag(19.1.) im Solitär in den charakterlichen Kanon ein.

Mit Bühnendesign beherrschender Technik fährt der zweitjüngste auf: Peter Ablinger, Jahrgang 1959, braucht für La Fleur du Terezin / Monolith I und II zwar nur eine Posaune, dafür liegen wie Notenständer-Insekten mit Pultlampen-Augen je sechs gute, alte Musikkassettenspieler an der Vorderbühne und im Hintergrund auf. Der Posaunist Dusan Kranjc schreitet also mit seinem Instrument den ansonsten dunklen Vorraum zur Bühne ab, wobei er ein Kassettendeck nach dem anderen anwirft und zum Hintergrund abgeht, um zum Rauschen der Kassetten die Posaune mit Stimme, Luft und Ton zum Winseln zu bringen. Fingerpercussion auf dem Dämpfer. Die Kassetten geben dazu eine räumliche Klangkulisse mit der Imitation synthetischer Tierschreie und Schritten.

Der Menschen Assoziationen unterscheiden sich, drum sei auch diese gestattet: Durch die Redundanz in der Artenvielfalt der Klangereignisse ersteht ein Bild eines gequälten Hofhundes zu Ziegenpeters Bestand. Bis die Kassettenbänder aus sind, kommt Sehnsucht nach dem Signet von Heidi auf. Dann aber desgleichen von hinten: Bänder anwerfen, Posaune nach vorn und hyperaktives Treiben, bis diese Bänder aus sind. Vom Tonträgerrauschen etwas aggressiv geworden, verliert man sich im Gedanken an die Ökonomie, beide Teile gleichzeitig abzuspielen.

Relations für Streichtrio des nur ein Jahr älteren Komponisten Kunsu Shim baut seine fragmentierte Klangwelt über Flageoletts und flaue Farbtöne auf. Recóndita armonía für Viola, Violoncello und Kontrabass des 2016 verstorbenen Mariano Etkin entwickelt sich ebenfalls aus Gezupftem und kurz Gestrichenem. Robert Ashley, 1930 bis 2014, liefert mit Waiting Room akademisch gebrochene Ironie. Das Quartet for any number of wind or string instruments wird vom oenm auf vier Sitzbänken a zwei Musikern ausgeführt. Glissandi dominieren Einzelereignisse, die zu Ensembleclustern verdichtet und wieder aufgelöst werden. Schlüsselbund, Blättern im Katalog, Gemurmel, Kapseldeckelöffnen bilden diverse Zusatzelemente zu einem Gestenkanon, in dem Langeweile dominiert.

Als Urahn der Moderne kommt Charles Ives mit seinem Klavierquintett In Re Con Moto Et Al zu Ehren. Gegliedert durch regelmäßig wiederkehrende Akkorde hasten alle mit ihren Tonfolgen in verwegener Dissonanz verbissen drauflos mit einer atemberaubenden Klimax zum Schluss, der ironisch leise verzupft wird.

Der erstaunlichste Programmpunkt aber stach so heraus wie alle anderen aus: Franz Schuberts Quartettsatz c-Moll D 703. Meisterlich gespielt eröffnet er beklemmende lyrische Höhen, die, mit elementarer Gewalt gebrochen, intensive dramatische Tiefen unserer emotionalen Befindlichkeiten mit zwingender Kraft aufwühlt. Wenn wir ehrlich sind: Was Schubert auslöst, lässt die anderen als Tester isolierter Experimente dastehen. Was bliebe vom Romantiker, wollte man beispielsweise seinen Quartettsatz auf meinetwegen dynamisierte Klangtableaus der Harmonien reduzieren. Seinen so mitreißenden wie erschütternden dramatischen Affekt vermisst man beim Rest des Abendprogramms leider schon.

 

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