Brodelnde Revolution

KULTURVEREINIGUNG / WIENER SYMPHONIKER / PHILIPPE JORDAN

16/01/20 Die Wiener Symphoniker gastierten in Salzburg – unter der Leitung von Philippe Jordan, bevor dieser sich von ihnen in Richtung Staatsoper verabschieden wird. Der Abend am Mittwoch (15.1.) im ausverkauften Großen Festspielhaus stand ganz im Zeichen des „Jahresregenten“ Ludwig van Beethoven und setzte Maßstäbe gleich zu Beginn des Jubeljahres.

Von Horst Reischenböck

Auf dem Programm standen die „Pastorale“ und die „Fünfte“: Das „Dioskurenpaar“ erklang übrigens 1977 bei einem Sonderkonzert zum Dreißigahr-Jubiläum der Salzburger Kulturvereinigung mit den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan.

Schon René Leibowitz, der polnische und in Frankreich tätig gewesene Apologet der Wiener Schule, bezog sich betreffs Beethovens Sinfonien erstmals konsequent auf dessen Metronom-Angaben. In dessen Nachfolge steht nun Philippe Jordan, der noch mehr den ursprünglich mitgegebenen Erklärungen folgt: Wie es eben für die „Erinnerung an das Landleben“ der Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 einst original über dem Kopfsatz hätte heißen sollen: „Angenehme, heitere Empfindungen, welche bei der Ankunft auf dem Lande im Menschen erwachen.“

Das meint sicher nicht zögernd, nachdenklich, forschend, sondern viel eher spontanen Überraschungen aufgeschossen. Das gilt auch für das ständig in der Tiefe dahin grummelnde Gewässer der anschließenden „Szene am Bach“, der die Streicher mit hölzernen Dämpfern eigenartigen Klang verliehen. Subtil mischten sich die Holzbläser hinein, so wie Sonnenlicht seine Strahlen hinab senkt - unter Jordans Stabführung fein dynamisch abschattiert, der dann des Komponisten Ironie im „Tanz der Landleute“ umso drastischer ausspielen und nach reinigendem Gewitter die Dankbarkeit des  Hirtengesangs herrlich gelöst ausmusizieren hieß.

Nach der Pause kein wie von Beethovens Adlatus Schindler apostrophiertes Schicksal in c-Moll sondern brodelnde Revolution. Jordan reihte die vier Sätze der Symphonie Nr. 5 op 67, in denen Beethoven wie in der „Pastorale“ hörbar Errungenschaften heutiger Minimal Music vorwegnahm, pausenlos zu einem großen Fresko aneinander: mit vollem Einsatz vom aufrührerischen Einstand in das die Emotionen beruhigende Andante hinein. Er überraschte mit Beethovens ursprünglichem Konzept des fünfteilig ausgespielten ersten Allegro, ehe die blech-bekrönte Strahlkraft im Finale einem siegessicherem Ende zu strömte. Angekündigt als „kleine Zugabe“ folgte der Triumph der Egmont-Ouverture op. 84! Es war in Summe ein Maßstäbe setzender Auftakt zum Beethoven-Jahr, bejubelt und wohl schwerlich noch zu übertreffen!

Bild: KV /Johannes Ifkovits
CD-Tipps zum Nachhören: auf dem Eigenlabel der Wiener Symphoniker Mitschnitte in derselben Konstellation aus dem Goldenen Saal des Musikvereins Wien mit Beethovens Sinfonien Nr. 4 & 5 auf WS 014, Nr. 6 & 8 auf WS 016.