Blut aus Otto Nicolais geistlichen Adern

BACHGESELLSCHAFT / MÜLLN

18/08/20 Zu den Tradition und lieb gewordenen Gepflogenheiten zählt das Konzert der Salzburger Bachgesellschaft zu Maria Himmelfahrt. Heuer, nach dem Ableben von Gründer Albert Hartinger, programmierte Sohn Virgil mit Otto Nicolai behutsam Novitäten neben Mozart und den Haydn-Brüdern.

Von Horst Reischenböck

Michaela Aigner stimmte mit einer klangvoll prächtigen Toccata in F von Johann Jakob Froberger an der Orgel der Müllner Kirche ein. Dann gleich ein Sprung über Jahrhunderte: Otto Nicolai, auf den die Wiener Philharmoniker durch erste Konzerte ihre Gründung zurückführen, hatte in Italien Palestrina studiert. Unter diesem Eindruck entstanden geistliche werke wie Assumptione Beata Maria Virgine, a capella von den vierzehn Stimmen des Collegium Vocale der Salzburger Bachgesellschaft in den Raum gestellt und geleitet von Jörn Hinnerk Andresen, der nach langjähriger Tätigkeit in Salzburgs Partnerstadt Dresden (von 2015 bis 2019 als Chordirektor an der Sächsischen Staatsoper) seit heuer als Professor für Chordirigieren an der Universität Mozarteum wirkt.

Das kurze Stück reichte für Aigner, von der Orgelempore das Positiv vorn im Altarraum anzupeilen. Mit zwei Violinen, Viola und Bass vom Salzburger Barockensemble lieferte sie das instrumentale Fundament für Wolfgang Amadé Mozarts Missa brevis in F KV 192 (186f). Die, wie von Erzbischof Colloredo gewünscht, gestraffte Vertonungen des Ordinariums wurde 1774 wahrscheinlich anlässlich der Krönung des Gnadenbildes in Maria Plain aufgeführt. Es war, wohlgemerkt nicht die aus anderen Gründen so betitelte und vier Jahre später entstandene „Krönungsmesse“.

Die frühere Messe erschließt aufmerksamem Hören Erstaunliches, das perfekt ins Gesamtkonzept vom Samstagabend passte, speziell ihre kontrapunktischen Finessen. Das Vierton-Credomotiv hat Mozart von der ersten bis zur letzten Sinfonie und auch in anderen Kompositionen „verfolgt“. Drum heißt diese Messe auch „kleine“ Credo-Messe im Unterschied zur „großen“.

Genauso in bestem Sinn „archaisch“ passte dazu Michael Haydns Ave Regina caelorum MH 140 mit gelegentlich überaus dissonanten Reibungen im a-capella-Satz. Hervorragend ausgeführt und vom zweifach geteilten Chor dynamisch subtil ausgeführt. Eine zweite Antiphon von Michaels Bruder Joseph, ein in g-Moll stehendes Salve Regina Hob. XXIIb:2, war dann einem solistischen Vokalquartett anvertraut. Über dem Instrumentalensemble verschränkte sich darin eindrucksvoll der glockenhelle Sopran von Marcia Sacha strahlend in der Höhe mit der mehr zurückhaltenden Altistin Yonne Douthat, Virgil Hartingers gewohnt sowohl voluminösem wie differenziert abgestuft eingesetztem Tenor und dem Bass von Thomas Schneider.

Zum Schluss nochmals Otto Nicolai, mit Salzburg-Bezug. Er hatte Mozarts Witwe hier besucht und dem damals noch vereinten Dommusikverein und Mozarteum ein achtstimmiges Pater noster op. 33 gewidmet. Eine veritables, ausgezeichnetes Demonstrationsobjekt für das Können der Sängerinnen und Sänger unter der Leitung von Jörn Hinnerk Andresen. Auf mehr aus lokalen Archiven darf man hoffen.

Bild: Semperoper Dresden / Johannes G. Schmidt