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Kriegshistorie, musikalisch brandaktuell

KULTURVEREINIGUNG / FILHARMONIE BRNO / RUSSEL DAVIES

29/09/22 Die Filharmonie Brno unter ihrem Chefdirigenten Dennis Russel Davies beeindruckt mit Schostakowitschs Leningrader Symphonie und dem Memorial to Lidice von dessen Zeitgenossen Bohuslav Martinů. Ein Highlight bei in den 75. Kulturtagen im Großen Festspielhaus.

Von Horst Reischenböck

Die beiden Werke sind „in Zeiten wie diesen“ nicht nur von bedenkenswerter Tiefe, sondern von geradezu erschreckender Tagesaktualität. Bohuslav Martinů ist, nach Smetana, Dvořák und und Janáček (auf dessen Iniative übrigens die Gründung des Orchester zurückgeht), der vierte große Komponist aus unserem nördlichen Nachbarstaat. „Dem Gedenken an die unschuldigen Opfer von Lidice“ gilt sein Werk. Gemeint ist die von den Nationalsozialisten aus Rache wegen des erfolgreichen Attentats auf Reichsprotektor Heydrich total zerstörten Kleinstadt. 1946 noch durch Rafael Kubelik aufgeführt, fiel Memorial to Lidice noch lange Zeit dem Verdikt der Kommunisten gegen alle Werke Martinůs anheim.

Am Dienstag 27.9.) feierten die Tschechen ihren Landespatron, den Heiligen Wenzel. So mutete es abends darauf doppelt bedeutsam an, dass Martinů schon im zweiten Takt des Memorial die Klarinetten und Fagotte einen dem Heiligen Wenzel gewidmeten Choral zitieren lässt. Der Mittelteil schreitet von der Idee her moderat einher. Das Zitat von Beethovens Schicksalsmotiv aus der Fünften (im Zweiten Weltkrieg das Siegeszeichen der BBC) im eher zunächst tumultartig letzten Abschnitt drang weniger ins Bewusstsein.

Das bewegende Stück von nur zehn Minuten Spielzeit wurde von der Filharmonie Brno in Großbesetzung unter ihrem Chefdirigenten Dennis Russel Davies voll Herzblut dargeboten. Der Dirigent ersuchte vor Beginn um eine Schweigeminute „danach“ im Gedenken an die Kriege in der Ukraine, aber auch in Syrien, Somalia oder Äthiopien.

Als dominierendes Hauptwerk, schon von den äußeren Dimensionen her, bot sich danach Dmitri Schostakowitschs Symphonie Nr. 7 C-Dur op. 60 Leningrader. Das Werk ist am selben Ort erst zu Ostern erklungen – die Brünner brauchen den Dresdner gegenüber ihr Licht keineswegs unter den Scheffel zu stellen.

Das Werk – ursprünglich 1942 logischerweise propagandistisch ausgeschlachtet, mit spontanem Erfolg sofort international nachgespielt auch zu Schostakowitschs Ruhm. Der Dirigent Sergej Kussewitzky etwa meinte damals: „Seit der Zeit Beethovens gab es keinen Komponisten, der mit derart großer suggestiver Kraft die breitesten Zuhörerkreise anzusprechen vermochte.“ Aus damaligem Blickwinkel heraus verständlich, in Kenntnis von Schostakowitschs anderem Schaffen heute wohl mit Fragezeichen zu versehen.

Russel Davies, der mit ruhigen Gesten zu differenziertem Musizieren animierte, überzeugte etwa in den Variationen zum Besatzer-Marsch und der unüberhörbar an Ravels Bolero erinnerndenInstrumentierung. Die Groteske inmitten des schon fast überlang anmutenden langsamen Satzes kontrastierte perfekt mit den Streicherkantilenen. Das gedanklich hohl Siegesfreude signalisierende Finale wurde von dem halben Dutzend Trompetern flankiert von Posaunen und Tuba, zuletzt entsprechend aufgegipfelt: Eine absolut beeindruckende Leistung, die entsprechend langanhaltend gewürdigt wurde.

Heute Donnerstag (29.9.) wird dieses Programm wiederholt, morgen Freitag (30.9.) stehen auf dem Program: Die Othello-Ouvertüre von Dvořák, das Violinkonzert von Korngold mit dem Violinsolisten Milan Pala, die Tallis-Fantasie von Vaughan Williams und Janáčeks Taras Bulba  – alle Termie der 75. Salzburger Kulturtage – www.kulturvereinigung.com   
Bilder: KV / Andreas H Bitesnich (1); Filharmonií Brno (1)
 

 

 

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