„Und jetzt will ich die Querflöten sehen!“

REPORTAGE / MITTEN IM ORCHESTER

13/11/23 Unmittelbar neben Musikern zu sitzen öffnet nicht nur eine neue Sicht. So nahe am Instrument kann man auch Schwingungen spüren. Der neue Konzertsaal im Zentrum für Visionen in Puch-Urstein bietet gute Voraussetzungen, Musiker und Publikum zusammen zu bringen.

Es ist ein hierzulande noch eher selten erprobtes Musikvermittlungs-Format: Die Philharmonie Salzburg unter Chefdirigentin Elisabeth Fuchs lud dieser Tage zu den ersten beiden Konzerten Mitten im Orchester. Dass man von einer Österreich-Premiere sprach, ist freilich eher ein Marketing-Gag. Selbst in Salzburg hat erst unlängst die Camerata in ihrer Jugend-Schiene genau so etwas angeboten.

Man kommt bewusst ohne Bühne, Rang und Graben aus: Die Orchestermusikerinnen und -musiker verteilen sich vorab auf Sitzplätzen im Saal, das Publikum nimmt zwischen ihnen Platz. Die Dirigentin und der Solist Sergey Malov, standen inmitten der Schar – immerhin neunhundert Zuhörerinnen und Zuhörer – und musizierten quasi im 360-Grad-Modus. So konnte auch die non-verbale Kommunikation zwischen Dirigentin und Solist bzw. Dirigentin und Orchester genau beobachtet werden.

„Wir wollen die Trennung zwischen Musikern und Publikum aufbrechen“, so Elisabeth Fuchs, die bereits ähnliche Konzerte in der Schweiz dirigiert hat. „Vielleicht besteht darin auch der Schlüssel zum Klassikkonzert von morgen – mit neugierigen jungen Menschen im Konzertsaal.“

Das Konzert wurde mit zwei vor allem durch ihre antreibende Rhythmik anspruchsvollen Miniaturen aus dem Bereich der Minimal Music eröffnet, der Fanfare Short Ride in a Fast Machine und The Chairman Dances von John Adams. Danach genug Grund zum Staunen angesichts des Violoncello da spalla, auf dem Sergey Malov Haydns spätbarock anmutendes Cellokonzert Nr. 1 in C-Dur spielte: ein exotischer Vogel im Instrumenten-Himmel. Die etwa 60 cm lange „Spalle“ wird in Armhaltung oder an einem um den Hals hängenden Gurt gespielt, sie hat im Gegensatz zum herkömmlichen Violoncello fünf Saiten und wird in Quintabständen gestimmt. Lange Zeit war das Instrument in Vergessenheit geraten, erlebt aber derzeit eine zögerliche Renaissance.

In der Pause hatten die Konzertbesucher die Gelegenheit, sich umzusetzen und neue Plätze neben anderen Instrumenten einzunehmen. Das haben wirklich viele gemacht. „Mir ist noch nie aufgefallen, wie unterschiedlich die Bogenführung beim Kontrabass sein kann“, so eine Konzertbesucherin aus Elsbethen, „und jetzt will ich die Querflöten sehen!“

In der zweiten Hälfte des Konzerts wurde Tschaikowskys Violinkonzert in D-Dur gegeben. Obwohl der Solist da ja nicht gerade wenig zu tun hat, ist Sergey Malov gar noch spielend durch den Raum marschiert, was vom begeisterten Publikummit Bravo-Rufen gelohnt wurde. (Philharmonie Salzburg/dpk-krie)

Die nächste Möglichkeit, „Mitten im Orchester“ Platz zu nehmen, gibt es am Sonntag, 3. Dezember – www.philharmoniesalzburg.at
Bilder: Philharmonie Salzburg / Erika Mayer
Zum Bericht Wie ein Orchester ohne Dirigent tickt