Ein Verdi-Wunder in St. Andrä

GORDON SAFARI / VERDI REQUIEM 

28/11/23 Man hat natürlich die größten Orchester, Chöre, Dirigenten, Sängerinnen und Sänger in den Ohren. Vergleiche mögen unfair sein. Aber was da unter Gordon Safaris Leitung in der Kirche St. Andrä zu erleben war, hat Erstaunen erregt und vor allem berührt. Giuseppe Verdis Messa da Requiem im sakralen Raum ist zudem besonders reizvoll, da eben nicht nur eine „Oper für den lieben Gott“.

Von Gottfried Franz Kasparek

Die „Capella Giuseppe Verdi“, ein Telefonorchester mit einigen Gästen aus den aktiven und pensionierten Reihen des Mozarteumorchesters und der Camerata, wirkte wie ein eingespieltes Ensemble. Verdi hat anno 1874 bei der Uraufführung in San Marco in Mailand hundert Musiker dirigiert (und 120 Chorleute). Das ist in St. Andrä wohl nicht machbar. Doch das etwa halb so große, hörbar hoch motivierte Orchester mit fein austarierten Streichern, strahlenden Bläsern und markantem Schlagwerk ließ eigentlich nichts vermissen, es sei denn, dass erstere mitunter ein wenig untergingen.

Die in Salzburg wenig geliebte, doch gerade in diesem Fall sehr stimmungsvolle, neoromanische Kirche könnte anderswo eine Kathedrale sein. Sie hat zwar weniger akustische Tücken als die Kollegienkirche und der Dom, doch der Halleffekt ist vorhanden, aber nicht so extrem. Die Balance zu finden, ist merkbar etwas leichter.

Der Chor, bestehend aus Gordon Safaris Cantorey Salzburg und hiesigen Schulensembles sowie der Kantorei Marienfelde Berlin und dem Neuen Chor Berlin Alt-Schönberg, einstudiert von gleich fünf Leitenden, klang homogen, kraftvoll und klangschön.

Die gewaltigen Herausforderungen des dies irae wurden von den Kollektiven bestens bewältigt. Es gab ja auch schon Aufführungen in Berlin. Am Sonntag (26.11.) in der ausverauften Andrä-Kirche sorgte Gordon Safari für weit mehr als nur für die Bewältigung der Partitur.

Der erfolgreiche „Bach-Spezialist“ ist eben nicht nur ein solcher, sondern ein vielseitiger Vollblut-Musiker, der in der Tat ein „sprechend-vitales Musizieren“ garantiert. In ihm wohnt auch eine romantische Seele. Er schlägt keine allzu schnellen Tempi an, er lässt dem weiten Atem der Belcanto-Kantilenen genügend Raum und gibt den dramatischen Teilen spirituelle Kraft, durchaus mit einer gewissen Italianità versehen.

Der gestandene Opernbass Andreas Macco gibt dem Solistenquartett gleichsam das wohltönende Fundament. Er ist Professor am Mozarteum, wo die beiden Damen noch studieren. Solitaire Bachhuber verfügt über einen hell aufjubelnden Sopran eher metallischer Prägung, die schon öfters in Salzburg solistisch aufgetretene Olga Levtcheva über einen leuchtkräftigen Mezzo hörbar slawischer Abstammung. Beide erfreuen mit präziser Intonation und, soweit in der Kirche möglich, sensiblen Lyrismen.

Alle vier Solisten kommen relativ mühelos über das Orchester, da sie vom Maestro entsprechend mitatmend begleitet werden: Ja, auch der junge, in Berlin lebende zweite „Bach-Spezialist“ am Podium, der Tenor Shimon Yoshida, hat keinerlei Durchsetzungsprobleme. Im Gegenteil, seine entfernt an den jungen Carreras erinnernde, edel timbrierte und perfekt fokussierte Stimme klingt besonders schön und bewegend. Und wirkt, etwa im herrlich schwebend gesungenen Ingemisco, so, als würde ihr Besitzer seine Tage mit italienischer Oper verbringen. Am Ende zurecht viel Jubel für einen geistlichen Nachmittag in großem Format und in großer Qualität.

Im Rahmen der Kulturfonds-Preisverleihung hat Gordon Safari am Montag (27.11.) den mit 6.000 Euro dotierten Förderpreis für Kunst & Kultur erhalten.

Bilder: privat