Die drei letzten Beethoven-Sonaten

WIENER SAAL / TILL FELLNER

03/11/10 Um die Pflege von Ludwig van Beethoven braucht sich Österreich weiterhin keine Sorge machen. Nach Friedrich Gulda, Paul Badura-Skoda, Alfred Brendel bis hin zu Rudolf Buchbinder meldete sich mit dem 1972 geborenen Till Fellner die nächste Generation zu Wort.

Von Horst Reischenböck

Das Konzert hätte schon vor elf Monaten stattfinden sollen. Das bescherte dem Künstler zum Ersatztermin am Dienstag (2.11.) durch die Zusammenführung damaliger Abonnenten in die jetzige Kammermusikreihe der Stiftung einen voll besetzten Wiener Saal. Auch die Akustik erwies sich einmal optimal, die der Pianist aber ohnedies nie zusätzlich bis an ihre dynamischen Grenzen „herauspaukend“ strapazierte.

Es wäre auch Salzburg nicht schlecht angestanden, des Wieners in seiner Heimatstadt vor zwei Jahren begonnene zyklische Aufführung aller Sonaten zu übernehmen. Wann ist denn schon einmal das „Neue Testament“ der Klavierliteratur als Ganzes zu erleben? Für diesmal war’s der Schlusspunkt, nämlich die absolut Sinn stiftende Aufeinanderfolge der letzten Sonaten-Trias Opus 109 bis 111. Deren innere Schlüssigkeit der gebotenen Interpretation vermittelte dem Auditorium klare gedankliche Zusammenhänge – so dass man eigentlich gerne auf die deshalb eigentlich eher lästige Pause vor dem Opus ultimum verzichtet hätte.

Till Fellner „schlich“ sich vorneweg espressivo und dolce leicht fließend in den innigen Beginn des E-Dur-Opus, um sich dann in die, nur durch Querstriche getrennt, eigentlich so rasch wie nur möglich anschließend zu exekutierenden 177 Takte hinein zu katapultieren. Es ist also eigentlich der zweite Teil eines Doppelsatzes, ähnlich wie - wenngleich wesentlich ausgedehnter, differenzierter - im As-Dur-Gegenstück. In dieser Sonate hat Till Fellner nach dem brillant ausgespielten Scherzo speziell die Fugenepisoden im Finale schlank verdeutlichend erschlossen, um sich dann wie schon zuvor allzu starkes Nachklingen an Emotion durch fast schon abrupten Schlussakkord zu versagen.

Innere Dreigliederung lässt sich auch an Beethovens letztem Zweisätzer in c-Moll konstatieren. Laut den Erinnerungen von Egon Wellesz war es Ferruccio Busoni, der seinerzeit die Welt erstmals mit Beethovens eigenen Metronomangaben konfrontierte. Die hier zunächst dramatisch auch in der Differenzierung der Lautstärke geforderten Anschlagsnuancen stanzte Fellner allesamt überlegt aus dem Steinway. Und was er schon im ersten Variationensatz vor der Pause in subtil klanglicher Schönheit als Versprechen geliefert hatte, erfüllte er hier in noch weitaus größerem Maße: ein Versinken, Verströmen in sonnenüberflutet glitzernde melodische Weiten, die eigentlich nie hätten enden sollen! Ein Ereignis und als solches auch entsprechend bedankt.

Bild: www.agencedianedusaillant.com / Ben Ealovega