asdf
 

Ein Leitfaden, wie es gehen könnte?

HINTERGRUND / STIFTUNG MOZARTEUM / MUSIKPÄDAGOGIK

Musikvermittlung gehört zum guten Ton so gut wie jeder Institution, die Konzerte anbietet. Aber: Trifft die Sache den Kern, wirken die Bemühungen nachhaltig genug?  Die Stiftung Mozarteum Salzburg hat in Zusammenarbeit mit der Robert Bosch Stiftung eine Studie erstellen lassen.



Von Reinhard Kriechbaum

„Setzen wir auf erlebnisorientierte Events oder langfristige Kooperationen?“ Das ist eine von vielen, vielen Fragen, die sich Leute regelmäßig stellen sollten, die mit Musikvermittlung befasst sind. Andere Fragen, die samt und sonders auf eine Selbstreflektion des eigenen musikpädagogischen Tuns hinauslaufen, betreffen die Nachhaltigkeit: Aus welchen gesellschaftlichen Gruppen hat sich das Publikum zusammengesetzt, hinsichtlich Alter, Geschlecht, Region, Migrationshintergrund? Ist es überhaupt gelungen, neue Zielgruppen anzusprechen? Gewährleisten unsere Angebote die Teilnahme von bildungsfernen Bevölkerungsgruppen? Passt die Preisstruktur, stimmt der künstlerische Ertrag?

Was sehr nach Binsenweisheit klingt, ist wohl keine solche - sonst wäre eine Studie wie jene, die heute, Mittwoch, von der Stiftung Mozarteum Salzburg vorgestellt wurde, ja völlig unnötig. Es scheint aber tatsächlich so zu sein, was man als Konzertbesucher und neugieriger Lauscher von Musikvermittlungsprogrammen allerorten vermutet: dass die pädagogische Betriebsamkeit und die Ernte oft genug nicht wirklich in Einklang zueinander stehen.

„Eine informative Einschätzung von fachlicher Seite fehlte bislang“, hieß es bei der Präsentation der Studie „Exchange - Die Kunst, Musik zu vermitteln“. Sie soll helfen, dass Vermittlungsprojekte verbessert und im internationalen Austausch weiterentwickelt werden können. An Einzelinitiativen fehlt es ja absolut nicht. Evaluierung und gegenseitiges Lernen der Musikvermittler voneinander könnte nicht schaden. Jedenfalls glaubt man, eine Lücke geschlossen zu haben mit der von der Stiftung Mozarteum Salzburg und der Robert Bosch Stiftung initiierten Studie, welche die Qualität der Vermittlungsangebote an Orchestern und Konzerthäusern erfasst und beleuchtet. Unter anderem hat man einen Fragebogen zur Selbstevaluierung erarbeitet. Er soll Musikvermittlern und Konzertpädagogen in der Reflexion ihrer Arbeit unterstützen.

Für die etwa 150 Seiten umfassenden Studie wurden vierzig Interviews mit Anbietern und Entwicklern konzertpädagogischer Angebote in Europa und den USA geführt. Als Ergänzung gibt es eine DVD mit fünf Beispielen aus der Praxis. Federführend bei der Erstellung der Studie waren Tobias Henn, der Leiter des Kinder- und Jugendprogramms der Stiftung, und Constanze Wimmer von der Anton Bruckner Privatuniversität Linz.

Für Musikvermittler, Intendanten und Pädagogen bietet die Studie „Exchange – Die Kunst, Musik zu vermitteln“ jedenfalls Orientierung und Auswahlhilfe, um Angebote von Orchestern und Konzerthäusern besser beurteilen zu können. „Die größte Qualität an unseren Projekten ist, dass wir Kinder und Jugendliche berühren oder erreichen. Dass man sie - wie es immer so schön heißt - da abholt, wo sie gerade stehen“, resümiert einer der Interviewpartner. „Wir wollen sie mit unseren Angeboten nicht überrollen, sondern einfach Musik begreifbar machen, im wahrsten Sinn des Wortes.“

Was ist nun konkret herausgekommen? Musikpädagogische Qualität ist nichts wirklich Greifbares, weil sie strukturellen Gegebenheiten vor Ort unterliegt und weil Charisma und Erfahrungen der jeweiligen Konzertpädagogen und Musikvermittler eine große Rolle spielen. Auch die künstlerischen Qualitäten der beteiligten Ensembles und Kulturschaffenden schlagen zu Buche. Ziele sollten jedenfalls sein, gesellschaftliche Impulse in der Stadt oder Region zu setzen, neue Publikumsgruppen zu erschließen und ein breites Fundament für die künstlerische Arbeit der Orchester bzw. Konzerthäuser zu legen. Dass Musikpädagogen, die Leiter der jeweiligen Kultureinrichtungen und eventuelle Geldgeber am selben Seil in dieselbe Richtung ziehen sollten, mag einen nicht vom Hocker hauen - aber es scheint wohl notwendig, so etwas in die Studienergebnisse und Schlussfolgerungen zu schreiben.

„Alle Expertengespräche, Interviews und teilnehmenden Beobachtungen im Zuge der Recherchen machten deutlich, dass der Rückhalt der Leitung für die Etablierung von Musikvermittlung und Konzertpädagogik innerhalb der Institution entscheidend ist“, heißt es in den zusammenfassenden Schlussfolgerungen. Auch nicht unwichtig: „Musikvermittler und Konzertpädagogen müssen beständig interne und externe PR für ihr Arbeitsfeld betreiben.“ Auch andere Abteilungen innerhalb der Kulturinstitutionen sollten wissen, was die andere, pädagogische Hand gerade tut.

Jedenfalls: Orchester und Konzerthäuser haben in den meisten Ländern Europas erkannt, dass sie als neue Partner der Kulturellen Bildung eine besondere Verantwortung dafür tragen, Menschen zu erreichen, die von sich aus keinen Konzertsaal betreten würden. In den deutschsprachigen Ländern gibt es in diesem Bereich Nachholbedarf, wenn es um partizipative Angebote für bildungsferne Schichten, Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen mit Behinderung geht.

Und eine kleine Ermahnung zu mehr Mut: „Die Auseinandersetzung mit Kunst bedeutet auch, Neuland zu erobern und Experimente zu wagen. Die vielfältigen Angebote der Orchester und Konzerthäuser zeichnen sich überwiegend durch bereits bewährte Formen und Herangehensweisen aus - vielleicht bietet die Studie einen Anreiz, sich punktuell auch experimentellen Ansätzen zuzuwenden, um Kinder und Jugendliche gleichermaßen für die Kraft der Kunst und ihre Brüchigkeit zu sensibilisieren.“

Ab sofort ist die Studie „Exchange - Die Kunst, Musik zu vermitteln“ im Internet veröffentlicht und frei zu nutzen: www.kunstdervermittlung.at
Bilder: www.kunstdervermittlung.at

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014