Ernst gestimmt

CAMERATA / KARWOCHENKONZERT

O5/04/12 Natürlich denkt man zu der Jahreszeit insgeheim immer an Johann Sebastian Bach. Und Bach gab es auch - als Einstieg ins Programm, mit dem die Camerata Salzburg am Mittwoch (4.4.) im Großen Saal des Mozarteums in die kommenden Passions-Tage einstimmte.

Von Horst Reischenböck

Das Doppelkonzerts in d-Moll BWV 1060 ist in einer Besetzung für zwei Cembali überliefert, der längst etablierte Rekonstruktionsversuch schreibt die Soli der Violine und der Oboe zu. Alexander Janiczek als Primus inter pares lieferte Louise Pellerin das nötige Rankenwerk und damit die exzellente Gelegenheit, ihre Oboe sowohl tonschön ins Treffen zu führen wie sich speziell im Largo inmitten zu verströmen.

Die aus Israel gebürtige Rachel Frenkel, im Vorjahr erstmals in der „Frau ohne Schatten“ unter Christian Thielemann in Salzburg und derzeit die Mércèdes der Osterfestspiel-„Carmen“, bewies danach ihre Meriten auch im Oratorienfach. Antonio Vivaldis eher selten aufgeführtes „Stabat Mater“ in f-Moll RV 621ist schlicht und relativ kurzes „Stabat Mater“. „Il prete rosso“ vertonte in Venedig nur die ersten zehn Stanzen, wobei die Sätze 4 bis 6 zudem nur Wiederholungen des Vorangegangenen sind. Allein das abschließende „Amen“ verlangt dann virtuosere Koloraturen. Fast noch eindrucksvoller dann nach der Pause in zwei Arien aus des Leipziger Thomaskantors Mattthäus-Passion BWV 244. Wobei die Verinnerlichung, mit der Rachel Frenkel ihren Mezzo im „Erbarme dich, mein Gott“ einsetzte, zutiefst innerlich berührte.

Joseph Haydns Sinfonie e-Moll Hob. I/44 mit dem posthumen Titel „Trauer“ hatte die Camerata schon vor einem Monat gespielt, damals unter Richard Tognetti. Dieser Wiedergabe stand die jetztige Ausführung in nichts nach, sie führte rechtens zu anhaltendem Jubel. Das Klangbild wurde durch die vorzüglich geblasenen Oboen und Hörner ergänzt. Nur das Cembalo blieb bei dem Impetus, den Alexander Janiczek mit den weiteren zwanzig Streichern entfachte, unhörbar.

Der passt freilich zum experimentellen Wesen dieses Stücks aus der „Sturm und Drang“-Periode seines Schöpfers, der barocke Rhetorik und Polyphonie mit leidenschaftlichem Ausdruck verknüpfte. Abgesehen von der Erregung der Ecksätze ein absolut unerwarteter Gipfel der „Canone in Diapason“ des ebenfalls in der Grundtonart stehenden Menuetts an 2. Stelle, dessen zweiter Themeneinsatz in der Oktave bereits auf den vierten Ton der Melodie erfolgt, die zudem alle chromatischen Töne der Tonleiter enthält: kontrapunktische Meisterschaft. Oder das zarte Adagio: Hörbarer Genuss, wie kühn Haydn Modulationen in entfernte Tonarten ausreizte, wie es bis dahin noch nie jemand getan hatte.

Bilder: www.sorekartists.com (1); www.marigaux.com/Montant (1); www.loganartsmanagement.com (1)