Tierischer Karneval à la Loriot

FESTIVAL BEGEGNUNG

07/05/12 Es ist schon das Langzeit-Gedächtnis gefragt: 1991 hat Loriot mit dem Scharoun-Ensemble seine damals noch recht neue Version des „Karnevals der Tiere“ von Camille Saint-Saens in Salzburg hören lassen, im Rahmen der Osterfestspiele. Das erste Mal, so Loriot damals ironisch in einem Pressegespräch, habe er keine Probleme gehabt, Karten für die Osterfestspiele zu bekommen.

Von Reinhard Kriechbaum

So haben sich die Zeiten geändert in zwei Jahrzehnten. Man kriegt unterdessen leicht Karten für die Osterfestspiele. Und am Beginn der neunziger Jahre wäre es auch kaum denkbar gewesen, dass man einen „Karneval der Tiere“ im Großen Saal des Mozarteums vor nicht mal 250 Leuten aufführt. Das Festival „Begegnung“ hat, was die Publikumsnachfrage betraf, deutlich werden lassen: Bedarf gibt’s dafür eigentlich keinen mehr.

Dabei hat die Samstag-Matinee (5.5.) genug attraktive Dinge versprochen: eingangs etwa eine Auswahl aus Bartoks Duos für zwei Violinen, mit Patricia Kopatchinskaja und Benjamin Schmid. Dieses lustvolle Ausschreiten des Geigen-Kosmos, von zwei im Temperament sehr unterschiedlichen, aber im entscheidenden Momenten sich zu verständnisvollem Schulterschluss sammelnden Solisten – das musste man wohl gehört haben. Und es war mehr als lohnend, sich auf die unendlichen Wiederholungen in Schuberts kapitalem „Divertissement à l’Hongroise g-Moll D 818 für Klavier zu vier Händen einzulassen. Alexander Lonquich und Cristina Barbuti haben jede Menge abgründiger Zwischentöne herausgearbeitet, indem sie ziemlich unbarmherzig jedes Wiederholungszeichen ernst nahmen und das doppelbödige „Divertissement“ in seiner Tiefe ausloteten.

Das war aber nur ein Teil: Mit Karol Szymanowskis „Mythen“ haben Benjamin Schmid und Alexander Lonquich einen gustiösen Streifzug nach Osteuropa unternommen, zu dem Patricia Kopatchinskaja mit dem Violin-Solo-Auftakt zu den „Impressions d’Enfance“ von George Enescu eine lohnende Rarität beitrug.

Da war es also schon fast ein Uhr Mittag, bis in dieser Matinee überhaupt erst die ambitionierte Camerata-Delegation und der Schauspieler Daniel Keberle für Saint-Saens/Loriot aufs Podium kamen. Sie wissen schon: Loriot lässt den Karneval der Tiere damit beginnen, dass eine „nicht mehr ganz junge Waldameise“ mit dem vor ihr sitzenden Erdferkel in Sachen freier Sicht ins Streiten kommt. Und beim Ballett der Schildkröten zeigt sich, dass Mehlwurm und afrikanischer Elefant durchaus divergierende ästhetische Erwartungen an Tanz haben. Nicht nur „freundlicher Beifall aus den Reihen älterer Leguane, Nashörner und Schildkröten“ – auch jüngerer Semester. Wären doch mehr davon da gewesen!

Hör-Tipp: Bei der Deutschen Grammophon wurde zum Gedenken an den im Vorjahr verstorbenen Loriot eine Aufnahme mit „Peter und der Wolf“ und „Karneval der Tiere“ wiederveröffentlicht. Es spielen das English Chamber Orchestra unter Daniel Barenboim, Loriot ist der Sprecher. Und er liest da auch Wilhelm Buschs „Max und Moritz“.
Bilder: www.patkop.ch/Marco Borggreve (1); www.benjaminschmid.com (1)