Kammer mit Aussicht

HINTERGRUND / STIFTUNG MOZARTEUM

23/05/12 „Wenn wir die Kammermusik nicht auf höchstem Niveau pflegen, wer dann?“ So Matthias Schulz, der neue künstlerische Leiter und kaufmännische Geschäftsführer der Stiftung Mozarteum, bei der Präsentation seiner ersten Konzertsaison. Der Leiter hat Mut: Insgesamt 24 Konzerte sind geplant, darunter acht Kammerkonzerte im Großen Saal des Mozarteums.

Von Heidemarie Klabacher

„Der Große Saal ist einer der schönsten und besten Konzertsäle der Welt. Es ist ein Unding, wenn wir nicht auch unter dem Jahr darauf pochen, diesen wunderbaren Saal zu nutzen“, sagte Matthias Schulz heute Mittwoch (23.5.) bei der Programmpräsentation. Ihm gehe es darum zu vermitteln, dass Kammermusik „nichts Verzopftes“ sei, auch nichts, „zu dem man einen Rucksack an Wissen mitschleppen muss“, sondern etwas „zeitlos Modernes“: „Kammermusik kann man ganz intuitiv erleben. Davon wollen wir die Menschen überzeugen, und ihnen vermitteln, was sie dort verpassen.“

Acht Kammerkonzerte im Großen Saal des Mozarteums. Das lässt aufhorchen. Hat sich doch sogar der Kammerkonzertzyklus im Wiener Saal mit seinen zweihundert Plätzen nach Anlaufschwierigkeiten erst langsam etablieren können – nachdem sich im Verlauf vieler Jahre die Reihen in den Kammerkonzerte im Großen Saal dramatisch gelichtet hatten: Im Jahr 2005 habe die Stiftung „Abschied genommen von der Kammermusik im Großen Saal“, erinnerte Stiftungspräsident Johannes Honsig-Erlenburg bei der Programmpräsentation und betonte: „Heute haben wir eine andere Botschaft: Wir müssen aus dem Großen Saal mehr machen.“ Es seien zahlenmäßig nicht mehr Konzerte geworden, sagte Matthias Schulz. Vielmehr wolle er das, „was wir anbieten, noch wahrnehmbarer machen“.

Das Risiko ist dem künstlerischen Leiter und kaufmännischen Geschäftsführer Matthias Schulz bewusst: Das Präsidium unterstütze das Konzept nach Kräften. Sollten die Säle „eklatant leer bleiben, kann es nicht ewig so weitergehen, aber wir wollen das Risiko auf uns nehmen, dass sich ausreichend Leute begeistern lassen“.

24 Konzerte wird die Stiftung Mozarteum in der Saison 2012/13 anbieten: acht im Großen Saal, acht im Wiener Saal, dazu eine vierteilige Sonntagsmatinee („Gut abgesprochen mit den Sonntagsmatineen des Mozarteumorchesters!“), sowie je zwei Konzerte „Orgel und Film“  und „Orgel plus“.

Matthias Schulz und seinem Team ist dazu von Herzen alles Glück zu wünschen – am Programm wird es nicht liegen. Ihm gehe es nicht darum, „sich bei der Intelligenz der Programmierung selbst zu überholen“, sondern um unmittelbares Erleben.

Was besonders überzeugt, ist das Konzept der Künstlerauswahl, dass nämlich nicht einfach „Stars“ aus dem Katalog für eine Probe und eine Aufführung zusammenspannt werden. Musikerinnen und Musiker sollen sich nach Vorstellung der Veranstalter Zeit nehmen können, miteinander zu arbeiten. Dafür steht der Cellist Nicolas Altstaedt, den Gidon Kremer zum Nachfolger als künstlerischer Leiter des Kammermusikfestes Lockenhaus ernannt hat. Altstaedt war bei der Pressekonferenz heute heute Mittwoch (23.5.) dabei. „Oft kommt ein Musiker vom Hammerklavier oder vom großen Steinway, ein anderer mit einem Streichinstrument mit Darmsaiten – und die treffen sich und spielen nach einer Probe ein Trio, aber oft nicht zum Gewinn des Werkes, des Komponisten oder des Publikums.“

Selten hört man in einer Pressekonferenz so kritische Worte zum heutigen „Musikzirkus“: „Vormittags ist Probe, Abends Konzert. Der Solist spricht sich vor der Probe zehn Minuten mit dem Dirigenten ab. Dass war’s dann“, schilderte der Cellist den Konzertalltag. Oder zu den Engagements Jahre voraus: „Wie soll ich denn heute wissen, ob ich in zwei Jahren an dem und dem Tag in Stimmung sein werde, ein bestimmtes Werk zu spielen…“ Daher gebe es ja auch in Lockenhaus keine gedruckten Programme, damit alle, die dort zusammenkommen, „auch hundertprozentig davon überzeugt sind, was sie tun, Leute die auf einer Wellenlänge schwingen“.

Leute, die so denken, als Kooperationspartner und Künstler einzuladen, ist ebenfalls eine Absicht, die aufhorchen lässt. Stiftungs-Geschäftsführer Matthias Schulz kooperiert bei dreien der Konzerte im Großen Saal mit anderen Festivals: neben Lockenhaus sind das das Festival „Spannungen“ um Lars Vogt und das Jerusalem Chamber Music Festival um Elena Bashkirova.

Bild: ISM / Wolfgang Lienbacher
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