Komm, lieber Wind

DIALOGE / ATMOSPHÈRES

03/12/12 Ein „Konzertexperiment“ unter dem Titel „Atmosphères“ war am Samstag (1.12.) beim Festival „Dialoge“ angesagt: eineinhalb Stunden quasi durchkomponiertes Programm mit Werken von drei Komponisten und mit improvisierenden Schlagzeugern. Eine lohnende Erfahrung.

Von Gottfried Franz Kasparek

Nicht, dass man es immer so machen und drei Klaviertrios satzweise mischen sollte - doch hin und wieder ist es gut, starre Konzertformate aufzubrechen. Die waren das ja nicht immer. In den Akademien der Beethoven-Zeit ging es programmatisch oft drunter und drüber, da wurde orchestral, solistisch, vokal und instrumental musiziert und ein Konzert wie dieses wäre bestenfalls die erste Hälfte eines Abends gewesen. So dramaturgisch klug gestaltet wie nun von Folkert Uhde waren diese historischen Vorbilder, eher mit der „Nacht der Komponisten“ früherer Jahre vergleichbar, allerdings kaum.

Es ging natürlich um die Luft und um den Wind, der laut Ivan Nagel, dessen Andenken der Abend gewidmet war, von niemandem so gut komponiert worden ist wie von Mozart und Debussy. Zu Beginn tönte vom Tonband mit Schellack-Charme der Sturmchor aus „Idomeneo“. Gegen Ende durfte das Naturelement sogar wirklich aus einer Windmaschine blasen, bevor die famose Sopranistin Claron McFadden mit Mozart und „Komm lieber Mai und mache“ den Schlusspunkt setzte. Ein echter „Schlager“ also am Ende einer musikalischen Reise durch die luftige und duftige Atmosphäre feinster Kammermusik und erfüllten Liedgesangs.

Auf dem Podium befanden sich das Boulanger Trio, besagte Windmaschine und die vor allem Windgeräusche erzeugenden Perkussionisten Alexandre Babel und Martin Lorenz, die zwischendurch auch auf den Balkon wanderten, auf dem mit Vera Klug eine höchst kompetente Flötistin für Debussys „Syrinx“ saß. Hinter dem Publikum und unter der Brüstung befand sich ein zweites Klavier, welches Alexander Melnikov bestens bediente, in intensiv vorgetragenen Debussy-Preludes und Mozarts zeitlos modernem h-Moll-Adagio, einmal sogar mit der leider ein wenig unter einem nicht adäquat gestimmten Flügel leidenden, im Prinzip aber impulsiven und nuancenreich spielenden Trio-Pianistin Karla Haltenwanger sozusagen im Duo, über das Auditorium hinweg. Claron McFaddens im Falle Debussys berückend klare und sinnliche Töne kamen zunächst von hinten, ehe die Sängerin neben dem Podiumsklavier auftauchte. Das ganze Geschehen, diesmal gottlob kaum beeinträchtigt durch störende Nebengeräusche, wurde von Christian Weißkircher dezent und sehr atmosphärisch ausgeleuchtet.

Neben der Pianistin sorgten auch die beiden weitern Damen des Trios, die Geigerin Birgit Erz und die Cellistin Ilona Kindt, für stilsichere und erfühlte Wiedergaben der drei Klaviertrios.

Dass es zwischen Mozarts Trio in D-Dur KV 496 und dem frühen Gattungsbeitrag Debussys Verbindungen gibt, aber auch interessante Kontraste, ist klar. Bei Mozart wetterleuchtet die Romantik, bei Debussy klingt sie nach. Dass aber Manfred Trojahns soeben fertig gestelltes Klaviertrio, dessen 2. und 3. Satz sich harmonisch in den Gesamtverlauf einfügte, so gut dazu passte, überraschte doch. Trojahns geradezu aufregend schöne und dabei spannungsvolle Musik straft all jene Lügen, die behaupten, Tonalität wäre heutzutage nicht mehr möglich. Die Tonalität wird alle ihre Möchtegern-Totengräber überleben und eine legitime Methode, Musik zu machen, bleiben.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher