Himmlische Längen? Himmlische Kurzweil!

STIFTUNG MOZARTEUM / KAMMERKONZERT

12/12/12 Solchen Jubel nach einem Kammerkonzert gibt’s sonst eigentlich das ganze Jahr nicht. Aber es war eben ein ganz besonderer Abend. Die Stiftungs-Verantwortlichen wussten schon, warum sie für Renaud Capucon, Clemens Hagen und Kirill Gerstein den Großen Saal des Mozarteums öffneten.

Von Reinhard Kriechbaum

Die eine gute Nachricht: Es war sogar der Balkon offen, die Publikumsnachfrage also ganz weit über dem „Normalpegel“ für Kammermusik, für den man ja im Wiener Saal gemeinhin das Auslangen findet. Die zweite gute Nachricht: Auffallend viele junge Leute unter den Zuhörern. Drittens: Die „Message“ ist rübergekommen, an den Bravo-Rufen und am Beifall in mittlerer Orkanstärke gemessen.

Bleibt als vierte Frohbotschaft des Dienstagabends (11.12.): Das Konzert selbst war himmlisch – nicht nur deshalb, weil ja auch in den beiden Klaviertrios von Schubert die legendären „himmlischen Längen“ stecken. Sondern vor allem deshalb, weil Kirill Gerstein (Klavier), Renaud Capucon (Violine) und Clemens Hagen (Violoncello) diese Längen in himmlische Kurzweil verwandelt haben.

Wo anfangen zu beschreiben? Ganz am Ende am besten: „Allegro moderato“ hat Schubert eigens über den Finalsatz des Es-Dur-Trios geschrieben, und so hielten es die drei grundsätzlich auch. Aber wenn einer so gläsern artikuliert wie Kirill Gerstein, wenn die beiden Streicher ihre Begleitfiguren derart leichtfüßig und dabei mit betörender tonlicher Gleichgestimmtheit federn lassen, dann erlebt man selbst das Moderate subjektiv als ein rasendes Sich-Drehen im Tanzschritt.

Soll man schreiben „heroisch leichtfüßig“? Es war in diesen beiden Werken (Trio in Es-Dur op. Post 99 D 898 und Trio in Es-Dur op. 100 D 929) mit ihren acht Sätzen keiner in der Stimmung so, dass man ihn eindeutig hätte greifen können. Es war die Genese von Musik im freien Wechselspiel der Kräfte. Selten, dass ein Kammermusik-Grüppchen mit derartiger Konsequenz eindringt in die elementaren Doppeldeutigkeiten der Schubert’schen Sprache. Was keck aufzuspritzen scheint, ward im nächsten Moment gedämpft und vielsagend eingetrübt. Was in Moll sich scheinbar melancholisch einschleicht, wurde gleichsam im Handumdrehen aufgehellt und in sprudelnde Lebensfreude verwandelt.

Ist ein rhetorisch ausgereizteres „Lied ohne Worte“ denkbar als jene Episode, als Clemens Hagen im Andante des Es-Dur-Werks das Thema vorstellte? Jenes Thema, das dann ans Klavier weiterwandert zum delikaten Nachsingen und von dort weitergereicht wird zum Geiger, der sich ans muntere Fabulieren macht. Es blieb einem die Sprache weg nicht erst in den letzten Takten dieses Satzes, als die drei Musiker gleichsam zum ultimativen Schlag ausholten und diesem Thema nochmal eine völlig anderes Chroma, eine weitere „Übersetzung“ der Grundvokabel in wieder eine andere Sprache angedeihen ließen.

Wundersame Einzelheiten ohne Ende: das Andante des B-Dur-Trios mit seinen vielen kleinen Konsonanz-Trübungen doch so unprätentiös idyllischen Gesang. Im Trio-Abschnitt desselben Werks übergaben einander die Streicher ihre Melodien wie Wattebauschen. Im Eröffnungssatz des Trios in Es-Dur hat der Pianist das eben nicht heroische Unisono des Hauptthemas immer wieder charmant verduften zu lassen. Es dürfte des Beschreibens von kleinen Wundern in Gewichtung und Dialogführung kein Ende sein.