„Danzón“ war das Motto

KULTURTAGE / MARIN ALSOP & OSESP

17/10/13 Was mögen sich die Eltern von dem in São Paulo geborenen Camargo Guarnieri gedacht haben, als sie ihm diesen ersten Vornamen verpassten? Die Vierte Symphonie von diesem „Mozart“ Guarnieri war also im Kulturvereinigungs-Konzert mit dem Orquestra Sinfônica do Estado de São Paulo zu hören.

Von Horst Reischenböck

077Eine Salzburger Erstaufführung logischerweise, spielt ja keiner sonst. „Brasilia“ – die drei Sätze sind also von der jetzigen Hauptstadt inspiriert: die Eckteile sind motorisch, tänzerisch, das Fugato im Finale gemahnt an Paul Hindemith. Dazwischen eine dunkel gefärbt ausgedehnte im Unisono anhebende Streicherkantilene.

Das Konzert am Mittwoch (16.10.) des Orquestra Sinfônica do Estado de São Paulo unter der Leitung der Chefdirigentin Marin Alsop markierte zugleich den Auftakt zu den 41. Salzburger Kulturtagen. Es war ein Programm der etwas anderen Art. Mit im Gepäck der Gäste war nämlich einmal nicht Musik von deren Aushängeschild Heitor Villa-Lobos (auch bei uns selten gespielt), sondern hierzulande kaum bekannte Komponisten aus ihrer Heimat. Die Programmfolge hat begonnen mit Clarice Assads „Terra Brasilis“, einer Fantasie, die in Brasiliens Nationalhymne gipfelt. Bei uns nicht bekannt, noch viel weniger ihr nicht gerade Indio-freundlicher Text. Ein musikalisches Puzzle als „Aufwärmstück“, das inmitten fast klassisch klingt. Das mag in gewisser Weise auch Reminiszenz – weilte doch zu Zeiten von Kaiser Dom Pedro I. und seiner unglücklichen Gattin Leopoldine, der Brasiliens Flagge das Habsburgergelb verdankt, der Salzburger Haydn-Schüler Sigismund Ritter von Neukomm in Rio de Janeiro.

War Leonard Bernstein, Widmungsträger der Sinfonie von Guarnieri, nicht vielleicht doch der beste „südamerikanische“ Komponist? Er bedauerte es zeitlebens, mutmaßlich nur durch seine „West Side Story“ bekannt zu bleiben, dessen Mambo international zu orchestraler Zugnummer wurde. „El Sustema“ hat das im vergangenen Sommer wiederholt unterstrichen. Eingebettet in die aus dem Musical kompilierten „Sinfonischen Tänze“ verpufft die sonst spontane Wirkung aber, wenn der zweifellos vorhandene Pep der US-amerikanischen Dirigentin Marin Alsop ihre Mitstreiter auf dem Podium doch nicht vom Stockerl reißt, nicht zur restlos zündenden Prise Pfeffer verhilft. Der abschließenden Begeisterung tat es keinen Abbruch, zumal sich doch zwischendurch auch etliche Orchestermitglieder solistisch ins Rampenlicht setzen konnten.

078Chopin gab’s auch noch, sein Zweites Klavierkonzert in f-Moll op. 21. Vor vier Jahren hatte Nelson Freire zuletzt im Großen Festspielhaus gastiert, im Duo mit Martha Argerich. Diesmal galt die Aufmerksamkeit ihm allein. Das Orchester war mit nicht weniger als sieben Kontrabässen und auch sonst süffig, aber übergroß besetzt, deswegen tendierte die Begleitung geringfügig zu Unschärfen (Horn). Demgegenüber stellte Freire auftrumpfende Virtuosität eher hintan. Er verzichtete nicht auf glitzernde Klangkaskaden, aber es berührte noch nachdrücklicher, wie er verinnerlicht dem zentralen Larghetto nachsann. Zart, intim – solche Färbungen hat Nelson Freire mit der Zugabe, der Adaption des Mittelteils aus dem Ballett der Seligen Geister aus Glucks Oper „Orfeo ed Euridice“ zusätzlich unterstrichen.

Im Konzert heute Donnerstag (17.10.) des Orquestra Sinfônica do Estado de São Paulo unter Marin Alsop gibt es nach der Pause Mahlers „Erste“. Das hier besprochene Programm vom Mittwoch wird am Freitag (18.10.) um 19.30 Uhr im großen Festspielhaus wiederholt. - www.kulturvereinigung.com
Bilder: Salzburger Kulturvereinigung / Grant Leighton (1)