Von Henne, Bär und Liebesleid

MOZARTEUMORCHESTER / BOLTON / PIAU

05/11/13 Ein temperamentvoll musiziertes abwechslungsreiches Konzert mit zwei von Haydns „Pariser Symphonien“ und Arien von Mozart boten das Mozarteumorchester unter seinem Chefdirigenten Ivor Bolton und die französische Sopranistin Sandrine Piau.

Von Alicia Tuchel

002Völlig in die Musik versunken wendet sich der Dirigent den ersten Geigen zu, um sie mit sanfter Gestikulation und einem Lächeln auf den Lippen in die Stimmung des Stückes zu bringen. Jedoch dreht er sich etwas zu weit, sodass auch das Publikum Zeuge seines herzlich verzogenen Gesichtes wird - dafür erntet er ein Lächeln.

Solche Momente waren im zweiten Donnerstagskonzert des Mozarteumorchesters ((31.10.) nicht nur einmal zu erleben. Eine ähnliche Versunkenheit in die Musik, wie sie der Dirigent Ivor Bolton ins Publikum herüberstrahlte, war auch unter den einzelnen Musikern zu spüren. Läufe wurden mit präziser Genauigkeit gespielt und wenn es darum ging, dynamisch Unterschiede zwischen laut und leise herauszuarbeiten, konnte dies wohl nicht eindrucksvoller gelingen. Insbesondere im ersten Werk - Joseph Haydns Symphonie g-Moll Hob. I:83 „La Poule“ (Die Henne) - konnte man sich den gackernden und scharrenden Vogel bildhaft vorstellen. Dieses Stück, welches von Haydn ja im eher „tragischen“ g-Moll komponiert wurde, brachte genau das Gegenteil rüber: Leichtigkeit und Frische - ein guter Beginn für den Konzertabend.

Kern des Programms - und hier kann man wahrhaftig von einem guten Kern sprechen - bildeten Arien aus Opern von Wolfgang Amadeus Mozart, gesungen von der französischen Sopranistin Sandrine Piau. Mit einer besonders weichen und gleichzeitig voluminösen Stimme gelang es der Sängerin, einer renommierten Persönlichkeit in der Welt der Alten Musik, die Emotionen in den Texten für das Publikum spürbar zu machen.

So brauchte man nicht einmal den genauen Text vor Augen zu haben, um zu wissen, worum es inhaltlich in den einzelnen Darbietungen ging. Dies war auch deutlich an der Mimik und Gestik der Künstlerin zu erkennen, die je nach Thematik der Arien und der entsprechend zu spielenden Rollen variierte. Besonders in der zweiten Arie, die mit einer Fülle an verzweifelten Fragen beginnt, war die innere Aufregung der Giunia aus „Lucio Silla“ deutlich zu spüren. Die Harmonie zwischen Orchester und Solistin konnte nicht besser sein, jedoch ist anzumerken, dass zuweilen das Orchester den Gesang übertönte.

Nach der Pause wurde das Publikum mit einer weitaus lieblicheren Arie wieder im Saal begrüßt. Mit ihrer weichen Stimme holte Sandrine Piau die Töne aus dem Nichts und brachte den Zuhörern auf einzigartige Weise die Stimmung einer Verliebten - der Susanna aus „Le Nozze di Figaro“ - näher. Es folgten noch zwei weitere Arien aus „Idomeneo“ und „Don Giovanni“, bevor der letzte Ton der Sopranistin im Saal verhallte und tosender Applaus die Musik ersetzte. Doch damit noch nicht genug.

Wie der Abend begonnen hatte, so sollte er auch abgeschlossen werden - mit Haydn. Und hier scheint das Orchester sich diesmal im Tierreich umgehört zu haben (obwohl die sprechenden Beinamen der Symphonien ja nicht von Haydn stamme). Während es im ersten Stück „die Henne“ betraf, kam dem Publikum in der Symphonie C-Dur Hob. I:82 „L'oursein Bär vor Ohren und geradezu vor Augen: Wie anschaulich im letzten Satz die zwei Fagotte und die drei Kontrabässe den Bären zum Tanzen brachten!

Bild: imgartistst / Naive / Sandrine Expilly