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Verklingende Töne und die Musik der Zukunft

FESTIVAL HERBSTTÖNE (1)

25/11/13 „Ich verlor die Kraft, das Leben, meine Freunde, selbst der Stolz ist dahin…“ Berühmter Komponist, bejubelter Starpianist, umschwärmter Frauenheld - dann plötzlich die „niederen Weihen“ - und aus dem Salon-Musik-Tiger und Tasten-Don Juan wird der Abbé Liszt.

Von Heidemarie Klabacher

105„Der Künstler steht allein“. Franz Liszt in Rom (1861-1886): So hieß, ein wenig akademisch, das Franz Liszt gewidmete Konzert im Rahmen des Festivals HerbstTöne. Ein herbstliches Porträt in allen Farben der Wehmut hat der Programmgestalter Götz Teutsch entstehen lassen: Werke von Franz Liszt und Ausschnitte aus Briefen und Texten von Liszt, von Zeitgenossen und namhaften „Musikerkollegen“ wie etwa Alfred Brendel ergaben zusammen ein eindrückliches Bild vom Leben des „späten Liszt“ in Rom.

Ein wesentlicher und erhellender Bestandteil der Gesamtdramaturgie war auch in diesem HerbstTöne-Konzert die Einführung von Gottfried Franz Kasparek. Er eilte mit der beinah ein wenig fassungslosen Bemerkung „In zehn Minuten soll ich über eine Welt sprechen“ auf die Bühne – und tat genau das: Mit einem knappen Abriss, der die „brillante Unterhaltungsmusik“ aus der Feder Franz Liszts ebenso wie das geradezu avantgardistische Spätwerk zu würdigen wusste, entwickelte Kasparek den Rahmen, den die Künstler mit Farbe und Leben erfüllten.

Die späten Klavierstücke Franz Liszts seien teils überhaupt erst Entdeckungen unserer Zeit gewesen, berichtete Kasparek –  Liszt selber habe seinen Adepten davon abgeraten, diese Werke zu spielen und seinem Verleger, sie zu veröffentlichen: „Diese Stücke sind nicht für den Salon geeignet“, hat der Komponist in einem Brief geschrieben und warnte den Verleger vor der Gefahr, nur wenige Exemplare zu verkaufen.

Von diesen „Trauer- und Erinnerungsstücken“ erzählte bei den HerbstTönen im Solitär niemand geringerer als Helmut Lohner als Sprecher und Rezitator: „Ich habe es veröffentlicht, obwohl die Zeit dafür noch nicht reif war“, sagte der Komponist über seine Schrift „Skizzen für eine Harmonie der Zukunft“.

„Unstern: Sinistre distrato“ heißt eines dieser viel zu selten aufgeführten Werke des alten Franz Liszt oder – eines der bekannten „unbekannten“ Stücke – „Nuages gris“ (Trübe Wolken). Radikal zurückhaltend nimmt der vormalige „Tastenlöwe“ und „beste Pianist aller Zeiten“ die reduzierte Klangsprache von Schönberg, Berg oder Webern vorweg. Er war sich der Radikalität dieser Werke offensichtlich selbst bewusst. Davon erzählten im Solitär eindrücklich die Text- und Briefstellen. Mit diesen Stücken habe Liszt „alle überflüssigen Noten der Vergangenheit“ abgebüsst, hat Alfred Brendel, ein wenig ätzend, geschrieben.

Zum Klavier tritt etwa im Stück „La lugubre gondola“ (Die Trauergondel) die klagende Violine, im Solitär gespielt von Pierre Amoyal, oder im Stück „Die Zelle in Nonnenwerth“ die jubilierende und sich dann wieder in sich zurückziehende Stimme des Violoncello, gespielt von Clemens Hagen. Traumverloren schöne, silberfeste Linien spann Clemens Hagen in den Raum -  wie etwa auch in „Consolation“ (von Franz Liszt und Jules de Swert) oder in der Zweiten Elegie für Violoncello und Klavier. Am Klavier hätte man sich für Kostbarkeiten wie die Solostücke „Resignazione“ oder „Bagatelle sans tonalité“ wohl einen technisch noch etwas sprungfertigeren Tastentiger gewünscht, Cordelia Höfer vermittelte einen  Eindruck.

Noch 150 Jahre später bewegt die Szene, die sich in einem „Irrenhaus“ in Rom abgespielt haben muss, als Franz Liszt in einer solchen Anstalt eine junge (an der Liebe im Wortsinn irre gewordene) Frau besuchte, die die Arie der Norma „Casta diva“ für ihn gesungen hat: Zu dieser in einem Brief von Kurd von Schlözer beschriebenen Eposide erklang - die einen Virtuosen verlangende - Bearbeitung der Arie für Klavier für die Linke Hand von Adolfo Fumagalli op. 6: Das war Musik-Traum-Theater, das einen grauen Herbsttag erhellte. 

Bilder: Universität Mozarteum / Christian Schneider

 

 

 

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