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Vom (heiligen) Geist, der dahinter steckt

HINTERGRUND / NEUES „GOTTESLOB“ (2)

23/12/13 Wie deutlich lassen sich an einer Publikation wie dem neuen Gotteslob Befindlichkeiten der Institution Kirche ablesen? Welche Rolle spielen Ideologie und Pragmatismus?

Von Reinhard Kriechbaum

049Manches wundert aufgeklärte Geister ehrlich: Da gibt es im neuen Gotteslob (im Österreich-Teil, versteht sich) einen neuen Gesang „Lobpreis mit Weihrauch“, übrigens komponiert vom Salzburger Kirchenmusikreferenten Armin Kircher. Augenfälliges Brauchtum boomt also auch in der katholischen Kirche. Man hat beim Konzil vor einem halben Jahrhundert wohl wirklich entschieden zu viel auf Wort und Kopf gesetzt hat. Das Fußvolk wurde, so scheint's um Häuser überschätzt: Es freut sich an Kindereien, die rauchen und riechen.

Lokaler Pietismus feiert auch fröhliche Urständ: Nicht nur unser neuer Landwirtschaftsminister hat jüngst das Herz Jesu ausdrücklich einbezogen in seinen Amtseid (und damit offene Münder in einer mehrheitlich kirchenfernen oder endgültig entkirchlichten Gesellschaft ausgelöst). Es gibt im neuen Gotteslob eine Anleitung für eine Herz-Jesu-Andacht (zieht besonders in Tirol, seit den Napoleonischen Kriegen und Andreas Hofer). Aber das offenbar unverzichtbare, abstrus militante Lied „Auf zum Schwur, Tirolerhand!“ hat man dann doch abgemildert, indem man auf dieselbe Melodie eine „allgemeine“ Variante anbietet. Man braucht nur umzublättern... Da heißt es in Strophe vier nicht „Treue ist Tiroler Brauch“, sondern „Treue ist der Christen Brauch“.

Freilich, ein kirchliches Gesangsbuch wie das „Gotteslob“ hat immer auch sehr mit Ideologie zu tun. Die Kirchenlichter im „heiligen“ Land Tirol mag niemand mit politisch korrekter Beckmesserei auspusten. Auffallend ist, mit welcher Vehemenz im Gotteslob die österreichischen Diözesanheiligen, die Seligen und die Heiligen aus unserer Gegend besungen werden. Wo es keine Lieder gab, hat man (wie es seit je her üblich war in der Kirchenmusik) Text-Paraphrasen und neue Texte auf alte, eingebürgerte Melodien gelegt.

Den Sprachen der Minderheiten wird genüge getan. Der Österreich-Teil enthält beispielsweise je ein Marienlied in slowenischer, kroatischer und ungarischer Sprache. Das Lied zum Mitteleuropäischen Katholikentag ist in slowenischer, ungarischer, burgenländisch-kroatischer, tschechischer, polnischer und slowakischer Sprache. Diese „Europa-Hymne“der katholischen Kirche kommt übriges noch vor der Bundeshymne, die auch wieder im Gotteslob steht.

Zur Buntheit trägt auch die dezidiert ökumenische Ausrichtung bei: So ist etwa die Hälfte der Lieder in einer gemeinsamen ökumenischen Fassung aufgenommen worden.Die nicht wenigen ostkirchlichen Gesänge entsprechen vielleicht einer derzeit gerade aktuellen musikalische Mode: die nicht wenigen. Eigentlich will sich sonst ja doch keiner in der katholischen Kirche zu sehr mit den Orthodoxen anpatzen.

Natürlich schlägt sich im neuen Gesangbuch die Praxis des Glaubens, aber auch der kirchlichen Organisationsformen nieder. In einer post-christlichen Gesellschaft ist katechetische Erklärung unverzichtbar.. Da wird also vom Kreuzzeichen beim Betreten einer Kirche („dazu werden die Fingerspitzen einer Hand in Weihwasser getaucht“) bis zum Angelusbeten das bis zur Mitte des 20.Jahrhunderts noch selbstverständlich Vorauszusetzende knapp und präzis erklärt. Das Gotteslob bekommen bei den (wenigen) Kirchenbesuchen rund um Taufen, Hochzeiten und Begräbnisse auch Menschen in die Hand, die sonst nicht in die Kirche gehen und schon gar nicht aus eigenem Antrieb kaum zum Katechismus greifen werden. Sie werden gut bedient mit dem grauen Buch. Der Abschnitt „Was bedeutet...“ (ein Index kirchlicher Fachausdrücke), gleich am Buchanfang, könnte manches Defizit aus dem Religionsunterricht mindern.

Auffallend auf den ersten Blick ist das starke Gewicht, das paraliturgische Feierformen bekommen haben, die auch ohne Priester gefeiert werden können. Bei Erscheinen des ersten Gotteslobs 1975 war Priestermangel noch eine zwar real zu sehende, aber noch nicht wirklich spürbare Herausforderung für die katholische Kirche. Dass die „Basisversorgung“ mit seiner von einem Priester geleiteten Messe de facto nicht mehr aufrecht zu erhalten ist, fordert nicht zuletzt die Kirchenmusik. Ein heutiges Kirchengesangsbuch muss sich also daran messen lassen, wie hilfreich es ist bei der Gestaltung priesterloser Feiern: von den Laudes bis zu Vesper und Komplet im Tageskreis, von Andachten und Bittgängen im Jahrlauf.

Der Österreich-Koordinator für das Projekt "neues Gotteslob", an den viele Jahre gearbeitet wurde, war der Leiter des Salzburger Kirchenmusikreferats, Armin Kircher. Liturgisch bedeutsam sei das Gotteslob in seiner Eigenschaft als „Rollenbuch für die Gemeinden“, so Kircher Damit sei das neue Gotteslob mit Blick auf die Mitfeiernden letztlich „die Buch gewordene Umsetzung des Zweiten Vatikanischen Konzils". Gebete, Andachten und Texte sollen das Gotteslob mehr als bisher im persönlichen Glaubensleben und in der Hauskirche verankern.

Gelegenheiten zuhauf jedenfalls, bei denen jene, die sich berufen fühlen, aber nicht geweiht sind, sich einbringen können: Diakone, Laientheologen aller Spielarten und beiderlei Geschlechter. Und natürlich Organisten und Sänger. Ihnen allen gibt das Gotteslob Handreichungen sonder Zahl. Viele mögen in dem Buch blättern und sich wundern, was alles möglich ist.

Als Botschaft schwingt bei alledem mit: Niemand in der Kirche glaubt mehr ernsthaft daran, dass das vorherrschende Priester-Gottesdienstsystem aufrecht zu erhalten sein wird. (Wird fortgesetzt)

Das neue Gotteslob wurde in diesem Advent in den meisten Kirchen aufgelegt. Nur die Diözesen Wien, Eisenstadt und Gurk haben die offizielle Einführung auf Frühjahr 2014 verschoben haben. Tipps und Informationen rund um das neue "Gotteslob" bietet u.a. die vom Liturgischen Institut eingerichtete Website www.gotteslob.at.
Zur ersten Folge Mirni rat, kedveschni rat...
Zur dritten Folge Es darf wieder geterzelt werden

 

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