Eine Barocknacht und ein Musik-Stadtteil

UNIVERSITÄT MOZARTEUM / BAROCKNACHT

16/06/14 Vauxhall Gardens – die fallen einem vielleicht nicht so spontan ein, wenn vom Musikland England und speziell von London die Rede ist. Gute Idee, einmal einen Fokus aufs „London der Aufklärung“ zu richten. So geschehen in einem der vier Programmblöcke der „Barocknacht“ am Freitag (13.6.) im Solitär der Universität Mozarteum.

 

Von Reinhard Kriechbaum

Haydn konnte sich wirklich sicher sein, dass „die ganze Welt“ seine Sprache spricht. Die war damals in London weitgehend zu Hause und Komponisten wie Johann Christian Bach deklinieren die gleichen Vokabel wie Haydn. Den „Londoner Bach“ kennt man (aber hört seine Musik bei weitem nicht so oft, wie sie es verdienen täte). Aber Carl Friedrich Abel? Er (ein Bach-Schüler) und der Bach-Sohn haben in London ein bürgerliches Musikleben auf die Beine gestellt – da war Abel modern. Sein Instrument, die Gambe, war damals schon sehr am absteigenden Ast, aber Abel war einer jener, die ihr eine virtuose Spätblüte bescherten.

Leider gab es von Abel kein Gambenstück im Programm, aber im Konzertblock „Pleasures of the Vauxhall Gardens“ war dafür auch Musik von Carlo Graziani und Charles Avison zu hören. Im letzten Abschnitt („Haydn in Love in London“ dann auch etwas von Johann Samuel Schröter und Stücke, die ein gewisser Francois-Hippolyte Barthélemon aus Haydn-Quartetten destilliert hat. Sachen gibt’s!

Hiro Kurosaki war der Kurator dieser Barocknacht, entsprechend stark war die geigende Fraktion. Man darf bei solchen Anlässen ja immer auch ein bisserl staunen. Nicht nur, dass die Alte Musik unterdessen ein geradezu selbstverständlicher Teil des Ausbildungsangebotes am Mozarteum ist. Zum Staunen gibt auch immer wieder Anlass, auf welch hohem Niveau sich Studierende bewegen. Wenn sie und ihre Lehrer in oft bunten Gruppen antreten, ist das oft ein Musizieren praktisch auf Augenhöhe. Ins Grübeln kommt man freilich auch: In Fachzeitschriften wird unterdessen ja ziemlich ernsthaft darüber nachgedacht, ob diese Flut von bestausgebildeten Alt-Tönern überhaupt noch eine Überlebens-Zukunft hat, angesichts des Umstandes, dass eine Unzahl von Musikstudenten auf „modernen“ Instrumenten sich ehzeitig nach profunder Zusatzqualifikation auf Originalinstrumenten umschaut. Aber auch in diesem Bereich – also quasi der Alten Musik im zweiten Bildungsweg – arbeitet man an der Universität Mozarteum zu. Und das ist gut so.

Noch ein Gedanke zur Barocknacht, die gut eingeführt ist,die aber auch schon mehr Publikum erlebt hat in früheren Jahren: Ist sie derzeit mehr, als ein mit Professoren-Beiträgen lohnend aufgepäppelter, überdimensionaler Vorspielabend? Oder anders gefragt: Erwarten sich nicht viele von der Marke „Barocknacht“ mehr als vier Konzerte hintereinander, die man fein aufgefädelt in der Stuhlreihe genießt?

Ja schon: In einem Stück ist auch zierlich getanzt worden. Und wer sich nicht die Füße vertreten wollte in den Musikpausen, der konnte sitzen bleiben und Vorträge hören: Von Silke Geppert über „Kostüme aus der Zeit Elisabeth I.“ oder von Michael Malkiewicz über „Händels Deutsche Arien“. Aber den Vogel hat Klaus Fessmann abgeschossen mit seinem Thema „Architektur und Musik“. Dieser gute Mann ist Theoretiker mit Talent zur Praxis. Konkret hat er in Heidelberg für ein neu zu bebauendes Areal Partituren irgendwie so durchanalysiert, dass Architekten draus einen „Musik-Stadtteil“ bauen könnten. Das klingt dann so: „Hier sehen Sie ein Bild von den Aida-Gärten“ und dann ein Platz, „wo wir in den Rigoletto hineingehen“. Hundert Bilder! Schaut aber gemütlich aus, Fessmanns Heidelberger Musiksiedlung, wo unter anderen 21 Reihenhäuser nach einem „Tema con variationi“ gebaut wurden. Und wenn mal kein Architekt aufspringen sollte: Für einen Lehrstuhl für Selbstvermarktung täte sich der Mann empfehlen. Und ein solcher könnte nicht schaden, gerade auch nicht am Institut für Alte Musik.