Einspringer sprengt alle Grenzen

GROSSER SAAL / MOZARTEUMORCHESTER / HUSSAIN

19/03/10 Ein Triumph für Leo Hussain: Der Musikdirektor des Landestheaters hat kurzfristig das Zykluskonzert des Mozarteumorchesters im Großen Saal übernommen - und für Furore gesorgt. Von Horst Reischenböck

Des Einen Leid, des Anderen Freud’: Kristjan Järvi, der Jüngste im Järvi-Dirigenten-Triumvirat, musste wegen Krankheit absagen (hoffentlich hört man ihn bei einem neuen Termin trotzdem bald in Salzburg). Leo Hussain also sprang ein, mit einer Probe weniger - und das bei Musik, die nicht zum „Allgemein-Repertoire“ gehört.

Gleich zur Einstimmung folgte ihm das Mozarteumorchester in Kammerbesetzung in die Berge Polens, die Wojciech Kilar in seinem Stück „Orawa“ beschwört. Drei Geigen, darunter Konzertmeister Frank Stadler, fangen an, die minimalistischen Fäden zu spinnen, langsam steigert sich die Intensität, bis insgesamt 15 Streicher auf Bergeshöhen und in die zündende, spontan publikumswirksame Klimax führen. Das muss einmal so aufregend auf einen Sog entwickelt und gestaltet werden!

Ein weiterer Höhepunkt: das Debüt von Susanna Levonen mit Luciano Berios „Folks Songs“. Geschmeidig führte die finnische Mezzosopranistin ihre Stimme über die Lagen, biegsam in allen vokalen Facetten, impulsiv in den emotional bewegteren Abschnitten. Es war ein Genuss ihr zu lauschen. Eine Übersetzung der elfteiligen „international poetischen“ Textvorlage wäre wünschenswert gewesen und hätte den Genuss inhaltlich vertieft. Leo Hussain und das Orchester (nun in Großformation) assistierten sensibel und farbenreich. Warum das Schlagzeug zweigeteilt aufgestellt war, hat sich nicht ganz erschlossen.

Leitmotivisch durch das Programm ziehen sich in dieser Spielzeit einige der „Sequenzae“ von Luciano Berio: Diese virtuosen Charakterstücke für jeweils ein Soloinstrument geben einzelnen Orchestermitgliedern Gelegenheit, sich als Virtuosen auf ihrem Instrument zu präsentieren: Diesmal brillierte der Solo-Fagottist Philipp Tutzer, der die unzähligen „Spielarten“ seines Instruments zu einem phänomenalen Bogen spannte.

Robert Schumanns 200. Geburtstag steht heuer im Juni bevor: Daran erinnerte das Mozarteumorchester ehzeitig mit dessen Opus 120, der Sinfonie Nr. 4 d-Moll. Leo  Hussain scheute sich nicht, das „ziemlich“ des langsamen Einstiegs deutlicher als gewohnt zu ignorieren. Auch im Finale setzte er bewusst markante Zäsuren. Genauso behutsam, wie Cello- und Geigensolo in der Romanze Raum zur Entfaltung geboten wurde, ließen auch andere Details aufhorchen. So etwa durften die Klarinetten plastisch - wie es ihnen sonst kaum ermöglicht wird - ihre spezifischen Klangfarben einbringen. Einhelliger Jubel nach der wild dahinjagenden Stretta.