Gut und Blut fürs Vaterland?

 

FESTKONZERT 100 JAHRE MOZARTEUM

29/09/14 „Nun ist es Zeit, des Reiches Ehr zu wahren. Ob Ost, ob West, das gelte allen gleich! Was deutsches Land heißt, stelle Kampfesscharen…“ Ein paar Stunden Oper neutralisieren die blutige Propaganda, man erschrickt meist nur kurz. Doch ohne die märchenhafte Lohengrin-Story „drum herum“ werfen die Worte, die Richard Wagner seinem König Heinrich in den Mund legt, beängstigende Schatten.

Von Heidemarie Klabacher

Fröhlich buntes Treiben herrschte am „Tag der offenen Tür“ in dem gerne „ehrwürdig“ genannten Gebäude der Stiftung Mozarteum. Die Lordsiegel-Bewahrerin der internationalen „Mozartpflege“ ist eine der lebendigsten und facettenreichsten Kulturinstitutionen Salzburgs, Österreichs und weit darüber hinaus. Längst macht die Stiftung mit Uraufführungen beim jungen Festival „Dialoge“ genauso von sich reden, wie mit den Konzerten der traditionsreichen „Mozartwoche“, bei der das Werk Mozarts ebenfalls schon seit Jahren mit „zeitgenössischer“ und „alter“ Musik in Beziehung gesetzt wird.

Umso auffallender war beim Festkonzert im Rahmen der Feiertage „100 Jahre Mozarteum“ am Samstag (27.9.) die verhaltene Stimmung im gold-stukkierten Großen Saal. Wie mag das beim Eröffnungs-Konzert fast auf den Tag genau vor hundert Jahren am 29. September 1914 gewesen sein? Tatsächlich ist das originale Festsprogramm – ein erbarmungsloser Spiegel der dramatischen zeitgeschichtlichen Lage im Sommer 1914 – für die Hundertjahr-Feier rekonstruiert worden.

Für den August 1914 war ein großes Musikfest zur Eröffnung des neu erbauten „Mozarthauses“ in der Schwarzstraße geplant. Das Salzburger Großbürgertum hat mit ungeheurem ideellem und finanziellem Einsatz dem Großen Sohn der Stadt – und wohl auch der eigenen Kunstsinnigkeit – ein lebendiges Denkmal gesetzt, das zwei Konzertsäle, eine Musikschule (das spätere „Mozarteum“ eben), eine Bibliothek, einen wunderschönen Pausenraum samt Garten und noch vieles mehr umfasst. Von 1910 bis 1913 ist das so überaus reizvolle Ensemble nach den Plänen des Münchner Architekten Richard Berndl gebaut und alsbald in Betrieb genommen worden.

Für 12. bis 20. August 2014 ist zur feierlichen Eröffnung in Salzburg ein großes Musikfest geplant, am 28. Juni in Sarajewo das Thronfolgerpaar  erschossen, am 28. Juli in Ischl die Kriegserklärung an Serbien unterzeichnet worden. Der Erste Weltkrieg hatte begonnen. Das geplante große Musikfest zur Eröffnung des Mozarthauses in Salzburg schrumpfte aufgrund der politischen Großwetterlage zum bescheidenen Eröffnungs-Konzert. Und selbst dieses geriet zur Propaganda-Veranstaltung. „Kein Ruhmesblatt, vielmehr Teil unserer eigenen Geschichte“, sagte Stiftungspräsident Johannes Honsig-Erlenburg.

Keine Oper, kein großes Orchester, dafür „deutsche“ Komponisten – Beethoven, Wagner, Loewe – vertreten mit Kampfkraft fördernden Werken. In der Loewe-Ballade „Prinz Eugen, der edle Ritter“ meint man heutzutage ja immer ein wenig Ironie herauszuhören (wenn auch nicht so drastisch, wie bei Heine/Schumann „Die zwei Grenadiere“). Vor hundert Jahren wird die Werkwahl nicht wegen der möglichen Ironie getroffen worden sein: „Prinz Eugen, der edle Ritte. Hei, das klang wie Ungewitter weit ins Türkenlager hin…“

Auftraten damals Damensingverein Hummel und Liedertafel, Streichorchester Mozarteum - und Gesangsolisten, unter denen sich die Stars ihrer Zeit befanden: Lilli Lehmann, Anna Bahr-Mildenburg und der legendäre Salzburger Ochs auf Lerchenau Richard Mayr. Um auf diesen Promi-Level zu kommen, hätte man anno 2014 wohl eine Anna Netrebko, Elina Garanca oder Waltraud Meier engagieren müssen. Das hat die Stiftung Mozarteum nicht getan.

Mit der Sopranistin Claire Elizabeth Craig oder dem Bassisten David Steffens wurden viel mehr junge viel versprechende Sänger eingeladen, die mit Salzburg, der Universität und der Stiftung Mozarteum eng verbunden sind. Gregory Ahss, der Konzertmeister der Camerata Salzburg, beleitete zusammen mit dem Pianisten Alessandro Misciasci die Sopranistin Claire Elizabeth Craig bei der Mozart-Arie „L’amerò sarò costante“. Die Organistin Bettina Leitner begleitete die „Österreichische Volkshymne von 1914 und die Deutsche Kaiserhymne“ auf der Propter-Homines Orgel. Auch sie hat am Mozarteum studiert und war jüngst eine der Preisträgerinnen der Internationalen Sommerakademie. Die Camerata Salzburg spielte in einer Fassung für Kammerorchester den Variationensatz aus dem „Kaiserquartett“. Ein merkwürdiges Gefühl, diese Melodien einmal nicht als historisches Zitat zu erleben, sondern, wenn auch zum Glück nur im Gedenkkonzert, in ihrer ursprünglichen Funktion: „Lasst, wenn’s gilt, mit frohem Hoffen mutvoll in den Kampf uns gehen…“ Ein Festkonzert zum Nachdenken.

Als einziges Werk nicht auf dem historischen Festprogramm gestanden ist Mozarts „Abendempfindung an Laura“: Mit ihrer überaus feinen Interpretation des wohl schönsten und traurigsten aller Mozart-Lieder haben die Sopranistin Claire Elizabeth Craig und ihr Begleiter Alessandro Misciasci die steinerne Atmosphäre gelöst.