Zeitloser Klangzauber

DIALOGE / MOZARTEUMORCHESTER

08/12/14 Fein, dass die „Dialoge“ immer wieder Komponisten vorstellen, die nicht so ganz den gestrengen Avantgarde-Begriffen mancher Moderne-Festivals entsprechen. War es im Vorjahr Manfred Trojahn, so ist es heuer Peter Eötvös, der beweist, wie packend neue Musik ohne groß geschriebenes N sein kann.

Von Paul Kornbeck

Eötvös komponiert weder altbacken noch zertrümmert er die Tradition, er bezieht sich auf tonale Zentren und nimmt sich lustvolle, oft mikrotonale Freiheiten, er lässt in seiner Musik melodische Linien, ausgefuchste Rhythmik, gar Wiederholungen und mitunter poetische Gefühle zu. Das für die Geigerin Midori entstandene Zweite Violinkonzert ist ein Meisterstück vernünftig angewandter Postmoderne. Ein Werk, welches der Virtuosität zu ihrem Recht verhilft und dennoch ein harmonisches Gustostück ist.

Aus dem Namen der Widmungsträgerin hat Eötvös „Do-Re-Mi“ gewonnen und mit diesen Tönen, angeschlagen auf drei Triangeln, beginnt das dreiteilige Konzert. Welch faszinierend buntes, witziges, rasantes, pointiertes und technisch brillantes Klang-Feuerwerk man aus drei Tönen gewinnen kann, beweist der erste Teil. Noch dazu in orchestraler Raffinesse, voll markanter Schärfe und leuchtender Helle. Gegen Ende zu wird das Stück immer lyrischer, immer langsamer, immer sehnsuchtsvoller und, tatsächlich und im besten Sinne herzerwärmend, immer ungarischer. Keine Frage, die Muttersprache ist Bartók, bis hin zum lapidaren Schlussakzent. Doch ebenfalls keine Frage, Musik von Eötvös erkennt man nach ein paar Takten als solche – Originalität ist der Musik nicht auszutreiben, wenn sie mehr sein darf als Mathematik.

Der Komponist animierte das endlich wieder einmal im Konzertsaal mit Musik unserer Zeit beschäftigte Mozarteumorchester am Samstag (6.12.) zu einer Höchstleistung an Transparenz und wahrer klanglicher Inbrunst, in deren Zentrum die einmalige Geigen-Schauspielerin Patricia Kopatchinskaja stand, für die nichts zu schwer und nichts zu leicht ist, die jeden Takt wahrhaftig mitlebt, im Innersten des musikantischen Furors ebenso wie mit jeder Faser ihrer Körperlichkeit.

Vorher waren György Ligetis „Melodien“ erklungen. Anno 1971 war das eine Rückkehr aus der Clusterwelt der „Atmosphères“ ins leichter Fassbare, ein neuer Impressionismus, ein wohliges Klangbad, das phasenweise wie die nächste Stufe nach Debussy klingt – und ist nun längst ein Klassiker, von Eötvös liebevoll modelliert, von Orchester in irisierender Schönheit dargestellt. Wundersam die von Frank Stadler angeführten Kantilenen der Streicher. Nach der Pause spielte der unverwüstliche Miklós Perényi mit sagenhaft feinem und doch kontrastreichem Celloton das meditative Ligeti-Konzert – ein leises Wunderwerk aquarellhaft gemischter Klangfarben. Und am Ende stand ein ebenso hoch emotionales wie verhaltenes Mozart-Werk, Adagio und Fuge. Es war, mit Eötvös und dem famosen Orchester, einmal keine Mozart-Pflichtübung, sondern der stimmige Ausklang eines denkwürdigen Konzerts.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher