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„Zeltfestmusik“ in Uniform

MILITÄRMUSIK / SPARMASSNAHMEN

24/03/15 Acht bisher selbstständige Militärmusiken würden zu „Außenstellen“ degradiert, heißt es in einer gemeinsamen Aussendung des Österreichischen Blasmusikverbandes und der „Militärmusikfreunde Österreich“ von 19. März. Und das sehr bald, denn die angekündigten Sparmaßnahmen sollen schon ab Juli 2015 umgesetzt werden.

In der Aussendung heißt das geradeheraus: „Vernichtung österreichischer Militärmusiktradition in den Bundesländern.“ Die vor Weihnachten angekündigte Reduzierung der Militärmusiken in den Bundesländern auf 20 Mann (1 Offizier, 6 Unteroffiziere und 13 Grundwehrdiener) werde nun bereits ab Sommer 2015 umgesetzt. Sollte sich eine Frau melden, dann wird diese Meldung von der Zahl 13 abgezogen. Obwohl die Militärmusiken die Blasmusikjugendlichen für heuer zum Vorspielen zu einer noch vollen Blasmusikbesetzung eingeladen hätten, bestehe Verteidigungsminister Gerald Klug auf sofortiger Umsetzung.

Beim nächsten Einrückungstermin werden nur noch 13 Rekruten je Militärmusik aufgenommen. Sie absolvieren zwei Monate Grundausbildung und dann vier Monate bei der Militärmusik. Und dann kommen die nächsten für 4 Monate zum 'Außenstellenensemble', und dann die nächsten“, erklären die Blasmusik-Fachleute. Nur die Gardemusik bilde eine Ausnahme. Sie könne weiterhin bis zu 38 Grundwehrdiener mit dem verlängerten Dienst mit 14 Monaten aufnehmen.

Was fängt man mit zwanzig Musikern pro Militärkapelle an? Eine Militärmusik mit einem Kapellmeister und 19 Musikern sei keine Militärmusik mehr, sondern eine „Zeltfestmusik“, klagt die Blasmusik-Lobby. Bloß noch gut für Unterhaltungs- und Tanzmusik. „Dienstmusik“ für Festakte, militärischen Feiern - etwa mit dem Zapfenstreich - oder auch Empfänge mit Anmarsch und dem Abspielen der Hymnen zu gestalten, könne man in solcher Besetzung kaum befriedigend bewältigen.

In einem Zeitungsartikel meldete sich Militärmusikchef Oberst Bernhard Heher Wort. Die Reduzierung sei aus künstlerischer Sicht sehr bedenklich ist und man gleite damit „an die Peinlichkeitsgrenze“ ab. Um Märsche, Choräle, oder Konzertliteratur (vor allem im Freien) kompositionsgerecht und gut klingend zu interpretierenm brauche es unbedingt eine Mindestbesetzung von 50 Musikerinnen und Musikern.

Gerade bei der Blasmusikjugend schüttelt man den Kopf. „Die Jugendlichen erfahren durch den Dienst in einer Militärmusik das umfangreiche Repertoire mit einer guten Interpretation der traditionellen österreichischen Musik. Sie erlernen Showmarschieren und zeremonielle Abläufe für die es keine andere Schule gibt. Selbstverständlich übernehmen die jungen Mitglieder bei der Militärmusik nach dementsprechender Einschulung und - wie im Ernstfall vorgesehen - Wachdienste und Katastropheneinsätze.“

Jährlich melden sich 500 junge Blasmusiktalente zum Vorspielen bei der Militärmusik. „Ein Zeichen, dass der Dienst in einer Militärmusik bei den Jugendlichen sehr attraktiv ist“, heißt es in der Aussendung von Blasmusikverband und Militärmusik-Freunden weiter. „Durch die vor acht Jahren verfügte Kontingentverkleinerung konnten nur mehr 300 aufgenommen werden.“ Die Zahl bleibe zwar durch die dreimalige Einrückungsmöglichkeit fast gleich, aber die Rekruten seien dann bloßnoch vier Monate bei der Bundesheer-Außenstellenmusikgruppe.

Es sei zu befürchten, dass für Jugendliche eine auf 20 Musiker reduzierte Militärmusik nicht mehr attraktiv ist, sie sich daher nicht dafür entscheiden „Die Zeitsoldaten werden abspringen, die Unteroffiziere werden andere Posten annehmen (müssen) und Militärkapellmeister die Militärmusiken verlassen, so wie es mit 1. Feber bereits in Oberösterreich passiert ist. Das bedeutet in absehbarer Zeit aber das ultimative Ende der Militärmusiken in den Bundesländern.“

Der Blasmusikverband und der Verein „Militärmusikfreunde Österreich“ sprechen von einem „provokanten Schlag gegen die Blasmusik in Österreich“.

Klassisches Repertoire könne mit der radikal verkleinerten Besetzung nicht mehr gespielt werden, meinte jüngst im ORF der Dozent für Blasmusikleitung an der Musikhochschule Mozarteum, Albert Schwarzmann. Der Chefdirigent des Bruckner Orchesters in Linz, Dennis Russell Davies, macht sich auch für die Militärmusik stark. „Es geht hier um ein Zeichen der Solidarität der Berufsmusiker untereinander. Die Militärmusik spielt ein einzigartiges Repertoire, das nur von ihr adäquat wiedergegeben werden kann, ein musikhistorischer Schatz, der nur von einer Blasmusik in voller Besetzung werkgerecht aufgeführt werden kann. So schwer ist der heutige Stand durch Generationen von Musikern aufgebaut worden, und so leicht ist es offenbar, das alles auf die Schnelle aufs Spiel zu setzen.“ Ähnlich argumentieren laut Blasmusikverband die Delegierten zur Konferenz der Österreichischen Musikschulwerke, denen Musikum-Direktor Michael Seywald (Salzburg) vorsteht.

Wie man in der Presseaussendung vorrechnet, kosteten die Militärmusiken im Verhältnis zum Heeres-Gesamtbudget „fast nichts“: Die Militärmusiken seien zum Politikum geworden, „sie hätten niemals in das Verhandlungspaket bei den Sparmaßnahmen hinein genommen werden dürfen“. Die bisherigen Kosten der neun Militärmusiken (rund 11 Millionen Euro) machen 0,59 Prozent des Heeresbudgets (rund 1,86 Milliarden Euro) aus. Die Grundwehrdiener im verlängerten Dienst erhalten pro Monat rund 1.000 Euro. Die Kosten der 240 Rekruten-Musiker von 7. bis zum 14. Monat belaufen sich auf rund 1,9 Millionen EURO, die gespart werden könnten. Das liegt wiederum im untersten Promillebereich beim gesamten Heeresbudget.

„Aufgrund der großen kulturellen, gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Leistungen der Blasmusik in Österreich muss es der Bundesregierung wert sein, die 1,9 Millionen für 240 Militärmusik-Grundwehrdiener im verlängerten Dienst zu übernehmen. Ein Vorschlag der Finanzierung ist auch, dass Beiträge von den Ministerien Wirtschaft, Kultur sowie Soziales einfließen.“ (Österr. Blasmusikverband/ Militärmusikfreunde Österreich)

www.bundesheer.at
Bilder: Bundesheer / Harald Minich (1); Helmut Wimmer (1); Wilhelm Sandhofer (1)
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