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STIFTUNG MOZARTEUM / ORGEL+ / CARPENTER

10/06/15 Wie ein Popstar wird der junge zeitgenössische Organist Cameron Carpenter auf der Bühne gefeiert, wenn er mit seinem virtuosen Spiel, seinen schillernden Kostümen und experimentellen Frisuren das Publikum verzaubert. Wie viel „Revolutionary“ kann man in den ausgewählten Stücken von Johann Sebastian Bach wohl finden, wenn der junge Solist diese zum Besten gibt?

Von Sascha-Alexander Todtner

Als am Abend 9. Juni im Großen Saal der Stiftung Mozarteum die Lichter gedimmt werden, liegt ein Knistern in der Luft. Eine Mischung aus Neugier, Spannung und freudiger Erwartung macht sich im Publikum breit. Wer nicht wusste, dass das Hauptprogramm des Konzertabendes ausgewählte Stücke von Johann Sebastian Bach sein würden, konnte glauben, dass es sich um ein Popkonzert handelt. Die Spannung steigt weiter. Die Türen zur Bühne werden geöffnet: Welches Outfit wird er heute wohl tragen? Und wie wird seine Frisur aussehen?

Wer Cameron Carpenter schon einmal live erlebt hat, der stellt sich solche Fragen zurecht, denn er gilt als einer der exzentrischsten jungen Musiker in seinem Fach. Er ist einer von denen, die die klassische Musik in unserer Zeit aufmischen, spätestens seit dem sein Album „Revolutionary“ für einen Grammy nominiert war. Wie ein Popstar wird ihm applaudiert, als er in einem cremeweißen Anzug und einem Irokesenhaarschnitt die Bühne betritt und an der Orgel Platz nimmt, wohlgemerkt ohne Noten in der Hand!
Er beginnt das Konzert mit dem Präludium und Fuge A-Dur BWV 536. Sehr zart, schon fast zaghaft gleiten seine Finger über die Klaviatur, als das Stück zuerst in pianissimo beginnt und dann im weiteren Verlauf an Dynamik gewinnt, schon sehr heiter klingt. Es folgen Teile aus der Sonate d-Moll BWV 527: Mit virtuoser Fingerfertigkeit geht er von dem tänzerischen Andante, über in die spritzigen Triolen des Adagio e Dolce und beendet die Sonate mit einem dynamischen Vivace.

Im Gegensatz dazu klingt der nächste Programmpunkt, die Choralbearbeitung „In dir ist Freude“ BWV 615 spielerisch, quirlig. Tosenden Applaus gab es nach der Fantasie und Fuge c-Moll BWV 537, welche düster, mysteriös beginnt und im Verlauf des Stückes das Publikum im prächtigsten Klangvolumen der Propter Homines Orgel eintauchen lässt. Ein Stück, das von der ersten Sekunde bis zur letzten Minute Gänsehaut bereitet.

Das Allegro moderato der Sonate Es-Dur BWV 525 beginnt pianissimo, man hört lediglich das Ziehen der Register. Relativ schnell gewinnt es durch das Crescendo an Lautstärke, geht dann in das beschwingte Adagio über und läutet mit dem steigernden Tempo des Allegro die Pause ein. Drei Mal verlässt Cameron Carpenter die Bühne, verbeugt sich etwas schüchtern und lässt sich erneut wie ein Popstar applaudieren.

„O Mensch bewein dein Sünde groß“ BWV 622, Sonate c-Moll BWV 526: Nach dem Applaus kam der Moment, in dem Cameron Carpenter das Eis bricht und aus seiner scheuen Fassade heraustritt. „Vielen Dank, dass Sie heute Abend gekommen sind. Ich muss mich leider für mein schlechtes Deutsch entschuldigen“.

Das Publikum schmunzelt und die Blicke kleben an den Lippen des jungen Solisten. Die Augen werden immer größer, je länger er, dann auf Englisch, weiterspricht und knapp meint, er hätte keine Lust mehr, Bach zu spielen. Er wäre schließlich nicht „Revolutionary“, wenn er ganz akkurat sein Programm durchziehen würde. Es folgten also dann drei Improvisationen, welche durch starke Einflüsse aus dem Jazz, Blues, Dixie und Pop an US-amerikanische Filmmusik erinnern. Sichtlich erschöpft, aber glücklich wirkt der junge Musiker, als er sich nach der dritten Improvisation verbeugt und erneut drei Mal die Bühne verlässt und lauten Beifall erhält. Er spielt noch zwei Zugaben, eine davon „Somewhere over the Rainbow“ aus „The Wizard of Oz“, welches dem Publikum ein breites Lächeln ins Gesicht zaubert und so den Abend magisch abrundete.

Bild: www.cameroncarpenter.com