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Höllenfeuer, Engelszungen

DIALOGE / MOZART REQUIEM

30/11/15 Die Solisten haben es, Tuba mirum hin, Recordare her, nie ganz leicht beim Mozart-Requiem. Diesmal haben sie es alle vier sehr gut gemacht. Dennoch war der Star beim letzten Dialoge-Konzert eindeutig der Salzburger Bachchor.

Vom Heidemarie Klabacher

Die „traditionelle“ Aufführung des Mozart-Requiems der Stiftung Mozarteum war auch schon mal näher am 5. Dezember, dem Todestag seines Schöpfers. KV 626 kann man freilich an einem strahlenden Maientag genauso anhören, wie zu Allerheiligen oder an einem 29. November. Auf dieses vergleichsweise unaufregende Datum, ein Sonntag war es, fiel im Rahmen der Dialoge wohl eine der aufregendsten Interpretationen, die den Großen Saal und sein Publikum darin, bislang erschüttert haben.

Ohne Erschütterung geht bei Ivor Bolton neuerdings gar nichts, wie es ausschaut. Es gibt ja Kinos, wo die Sitze vibrieren, wenn James Bond die eine Hälfte der Welt in die Luft sprengt, um die andere Hälfte zu retten. Ivor Boltons Sprengstoff ist das Mozarteumorchester, sein Zündmechanismus das Dirigierstaberl. Mehr braucht er nicht, um die Mächte der Finsternis zu entfesseln – Rex tremendae – und schon im nächsten Atemzug – Salva me – das Banner der Hoffnung wieder aufzurichten.

Den Höllenlärm zu entfesseln, den Mozart ja ohnehin komponiert hat (großteils jedenfalls), gelingt in der Regel allen, die sich daran versuchen. Dem Höllenlärm aber die gleiche subtile Präzision angedeihen zu lassen, wie dem Engelssang, und beide Weltenbilder mit der gleichen inneren Spannung aufzurollen - das erfordert Expertinnen und Experten an allen Positionen.

Es ist schon lange nicht mehr originell, die Bläser des Mozarteumorchesters zu loben, Holz wie Blech. Was ihnen bei diesem Mozart-Requiem gelungen ist, hat aber erneut staunen lassen. Da sei der Bläsersatz im Benedictus, der so überirdisch schön in eine Klarinetten- und dann in eine Cello-Linie übergeht, als nur ein Beispiel herausgegriffen. Bedrohlich leise helfen die Posaunen in der Sequenz dem grimmigen Buchhalter „jede Schuld aus Erdentagen“ in das dicke Buch einzutragen. Geradezu beängstigend intensiv und bedrohlich sanft intoniert von Streichern und Bläsern die aufwärts ziehende Linie am Ende der Sequenz „da vom Grabe wird erstehen zum Gericht der Mensch voll Sünden“.

In jeder Strophe, in jedem Vers wären solche klangrednerischen Wunder zu verzeichnen – und es wären nicht immer nur die Bläser zu loben. Alle zusammen haben sie die Zeit stehen lassen in der dritten Wiederholung des Agnus Dei auf den Schlussakkord der Zeile „Gib ihnen die ewige Ruhe“.

Ivor Bolton hat, bei allem zündenden Effekt, die Tempi eher langsam vorgegeben – mit dem Ergebnis, dass nicht nur das Orchester alle Feinheiten des Satzes ausbreiten durfte, sondern auch der Chor. Dessen Fugen, besonders die Cum sanctis tuis-Fuge am Ende, war von atemberaubender Präzision und staunenswerter Durchhörbarkeit. Geradezu „locker flockig“ der Einstieg der Männerstimmen ins Osanna in Sanctus und Bendedictus. Wie mitten im turbulentesten Getümmel irgendwo eine samtige Posaunen-Linie, konnte – etwa im Quam olim Abrahae – plötzlich eine ruhige große Alt-Linie hörbar werden. Ein Chorgenuss! Die Solistinnen und Solisten - Sophie Karthäuser, Michaela Selinger, Mauro Peter und Florian Bösch – waren in den Einzelstimmen souveräne, in den Ensembles gut aufeinander hörende Dialog-Partner.

Eröffnet worden ist der Abend mit drei a-capella Werken aus Beat Furrers „Enigma“ Zyklus, drei Stücken unterschiedlichster Charaktere, die vom Salzburger Bachchor unter der Leitung von Alois Glassner virtuos herausgearbeitet worden sind. Gewünscht hätte man sich nur einen direkten Übergang ins Requiem. Und gerne verzichtet hätte man dafür auf die Orgel-Illumination. Man hätte auch so kapiert, wann es in der Musik aufregend wird.

Bilder: ISM / Wolfgang Lienbacher

 

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