Da waren die Komponisten noch Kavaliere!

MOZART-FUND

03/03/16 Die Primadonna verliert mitten in der Aufführung die Stimme und muss vier Monate lang pausieren. Zur Genesung schreiben ihr die berühmtesten Komponisten der Zeit eine Canonze auf ein Gedicht  des berühmtesten Librettisten der Zeit in dreißig Strophen…

Von Heidemarie Klabacher

Dass es diese Gemeinschaftsarbeit von Mozart, Salieri und Lorenzo da Ponte gibt, war bekannt. Sogar eine Nummer im Köchelverzeichnis hatte das Freudenlied – KV 477A – nur gesehen hatte es nie jemand. Bis jetzt.

Gefunden hat das Stück bereits Ende November vorigen Jahres der Musikwissenschaftler Timo Jouko Herrmann. Es habe „erstaunlicherweise“ dann noch bis 10. Jänner gedauert, bis erstmals eine Zeitung - es war die  „Schwäbische Zeitung“ - über die Entdeckung berichtet hat.

„Ein Stück von Mozart gefunden? Irgendwie wollte das zunächst keiner recht glauben.“ Inzwischen hat sich der Sensationsfund herumgesprochen. Eine spiel- und singbare Fassung von „Per la ricuperata salute di Ofelia“ ist im Musikverlag Friedrich Hofmeister in Leipzig erschienen und wurde heute Donnerstag (3.2.) im Tanzmeistersaal in Mozarts Wohnhaus präsentiert. Vorgesungen wurden die drei zusammen gehörenden Miniaturen von Claire Elizabeth Craig, begleitet von Florian Birsak.

Er habe eigentlich nach einem Schüler von Antonio Salieri gesucht, erzählte der Komponist und Salieri-Forscher Timo Jouko Herrmann vor der Präsentation im Gespräch mit DrehPunktKultur. Das Blatt befinde sicht seit den Fünfzigerjahren im Bestand des Tschechischen Musikmuseums in Prag und habe dort ein ruhiges Dasein geführt. Da alle Namen nur als Initialen vorkommen, habe bislang niemand Querverbindungen hergestellt.

Die aufregendsten Geschichten schreibt auch in der Musikwissenschaft das Leben selbst. Diese Geschichte begann am 1. Juni 1785 in Wien, als Nancy Storace, die berühmteste Primadonna ihrer Zeit, ihre Stimme verlor. Auf der Bühne. Mitten in der Uraufführung der Oper „Gli Sposi“ ihres Bruders Stephen Storace. Vier Monate musste die Sängerin dannach pausieren. Und anlässlich ihrer Wiedergenesung komponierten Wolfgang Amadé Mozart, Antonio Salieri und ein Herr Cornetti gemeinsam das dreiteilige Freudenlied „Per la ricuperata salute di Ofelia“ auf einen Text von Lorenzo Da Ponte. Der Text spielt allegorisch auf die Ereignisse rund um die Stimmkrise an, die fünfte Strophe schildert es dramatisch:

Schon vier Monde sind vergangen
Seit jener unheilvollen Nacht,
Die uns zu großem Schaden
Aus höllischen Tiefen
Jenes grausame Gift hervorbrachte,
das der süßesten Stimme den Weg versperrte.

Zum Glück hatte die Stimme der gefeierten Sängerin keinen bleibenden Schaden genommen. Nancy Storace hat nur wenig später die erste Susanna in der Uraufführung von Mozarts „Le nozze di Figaro“ gesungen…

„Aus Zeitungsanzeigen war zwar bekannt, dass Kopien dieses Freudenliedes beim Musikhändler Artaria in Wien angeboten wurden, doch konnte bislang kein einziges Exemplar davon nachgewiesen werden. Selbst der Textbeginn der Dichtung war nicht bekannt.“ Erst der Salieri-Experte Timo Jouko Herrmann hat die Namenskürzel Mozart und Salieri zuordnen können. Der dritte Name in dem Text- und Notendruck, ein Herr Cornetti, ist möglicherweise das Pseudonym eines Gönners.

„Ungewöhnlich ist, dass es zum Textdruck aus dem Jahre 1785 auch den Notendruck gibt“, sagt Timo Jouko Herrmann. „Der Text allein wäre schon toll gewesen. Aber es sind auch die Singstimme und eine Bass-Stimme gedruckt worden.“ Die Notenblätter in dem einzigen erhaltenen Druck aus dem Haus des Wiener Hofbuchdruckers Joseph von Kurzböck (Kunsthandlung Artaria Compagnie) sind wie ein kleiner Leporello zusammengefaltet.

Da Pontes Verse erzählen im Stil altitalienischer Schäferdichtung die Geschichte der viermonatigen Krankheit von Nany Storace. Der Titel der Dichtung „Per la ricuperata salute di Ofelia“ verweist auf deren Rolle als erste Ofelia in Salieris Oper „La grotta di Trofonio“, die im Herbst 1785, ein halbes Jahr vor Mozarts „Figaro“, im Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde. Die Premiere von Salieris Oper war ursprünglich bereits für Juni im kaiserlichen Hoftheater in Laxenburg geplant, musste aber wegen der Erkrankung der Sängerin verschoben werden…

Mozarts Beitrag zur Komposition beginnt mit dem Vers „Quell’ agnelletto candido“ und umfasst 36 Takte. Der Fund sei auch deswegen von so großer Bedeutung, weil er neues Licht auf das – gar nicht so gespannte – Verhältnis zwischen Mozart und Salieri werfe. „Die kleine Komposition bildet einen wichtigen Mosaikstein für das Verständnis von Mozarts Wiener Zeit, belegt sie doch deutlich, dass er zu Antonio Salieri in einem freundschaftlichen Verhältnis stand.“ Salieri hat ihn wirklich nicht vergiftet!

Die heute Donnerstag (3.2.) im Tanzmeistersaal zur Mittagsstunde präsentierte Ausgabe des Friedrich Hofmeister Musikverlag enthält den transkribierten Notensatz von Mozart, Salieri und Cornetti und eine Rekonstruktion durch Timo Jouko Herrmann als Klavierlied.
Bilder: dpk-klaba