Visuelles Nach-Fragezeichen

BERNHARD GWIGGNER / THORAK-PROJEKT / SALZBURG 20.16

03/05/16 Er war Hitlers Lieblingsbildhauer. Neben Arno Breker war Josef Thorak der wichtigste Vertreter der von den Nazis effektvoll inszenierten und instrumentalisierten Bildhauerei. Josef Thorak, in Salzburg aufgewachsen, ist auch Thema von „Salzburg 20.16“. Bernhard Gwiggner, Künstler und Lehrender am Mozarteum, hat Josef Thorak immer wieder etwas „entgegenzusetzen“.

Von Heidemarie Klabacher

In Salzburg ist der Nazi-Künstler Josef Thorak immer wieder ein Thema: Seine monumentalen Skulpturen stehen bis heute ohne „einordnende“ Täfelchen im Kurgarten herum. Aus Anlass der verschiedenen Selbstreflexionen von Stadt und Land im Rahmen des Jubiläumsjahres Salzburg 20.16 kommt der Nazi-Künstler wieder auf die Agenda.

Erbe sind auch die Bilder, die wir im Kopf haben“: Das stand, nach einem Künstler-Zitat, im Jahr 2010 als Titel über einem DrehPunktKultur-Text zu dem damaligen Thorak-Projekt von Bernhard Gwiggner im Vogelhaus im Mirabellgarten.

Josef Thorak 1889 – 1952. Hitler verschaffte ihm eine Professur an der Münchner Kunstakademie und ließ ihm vom Nazi-Architekten Albert Speer im oberbayerischen Baldham ein „Staatsatelier“ bauen (pikanterweise wurde in dem Monumentalbau am 5. Mai 1945 über einen Waffenstillstand der Streitkräfte im Nordalpen-Bereich verhandelt). Zuvor aber stand Thorak auf Hitlers Sonderliste der zwölf wichtigsten „unersetzlichen“ bildenden Künstler des Dritten Reichs und war vom Kriegsdienst freigestellt.

Auch die Salzburger Nazis haben den Künstler verhätschelt, haben ihm etwa das arisierte Schloss Prielau bei Zell am See überlassen – und Thorak revanchierte sich mit zwei Großskulpturen. Eine davon ist der „Paracelsus“ im Kurgarten. Auch noch nach dem Krieg hat man in Salzburg seine Nazi-Künstler wert geschätzt: „1950 wurde Thorak im Umfeld des Zwerglgartenpavillons von der Stadt Salzburg eine erste große rehabilitierende Ausstellung eingerichtet. 1952 wurde er im Beisein hoher Prominenz im Friedhof von St. Peter beigesetzt“, erinnert der bildende Künstler Bernhard Gwiggner, Lehrender für Bildhauerei an der Universität Mozarteum, in einer Aussendung zu seinem Projekt „GegenSetzung“.

Bernhard Gwiggner legt regelmäßig den Finger in die Wunde der Salzburger NS-Aufarbeitung: „Noch 1963 hat die Stadt Salzburg in Aigen eine Straße nach ihm benannt. Auf Grund neuerer Erkenntnisse zur hochproblematischen Rolle Thoraks während der NS-Zeit wurde und wird deren Umbenennung immer wieder diskutiert.“

Bernhard Gwiggner probiert es wieder einmal. Gleich drei Aktivitäten setzt er heuer:

Zunächst im Videointerview im Rahmen der Landesausstellung im Salzburg Museum bei „Erzähl mir Salzburg!“ 1950 liefen parallel zwei Ausstellungen zweier Gegensätze: In der rehabilitierenden Thorak-Ausstellung im Museumspavillon beim Zwerglgarten verneigten sich 22.000 Besucherinnen und Besucher vor Hitlers Lieblings-Bildhauer. Die andere Schau galt Fritz Wotruba: Der aus dem Schweizer Exil zurückgekehrte „moderne“ Bildhauer stellte in der Galerie Welz und im Carabinieri-Saal der Residenz aus, etwa 800 Besucherinnen und Besucher kamen vorbei. Am 19. Mai wird ebenfalls im Salzburgmuseum Gwiggners „künstlerische Re-Vision“ - das Buch „Josef Thorak. Hitlers Lieblingsbildhauer und sein Bezug zu Salzburg“ - vorgestellt. 

Ganz aktuell erinnert Bernhard Gwinnger an sein Thorak-Projekt aus 2010 „Thorak...???“ Die Skulptur kommt jetzt wieder aus dem Depot und wird Thoraks Monumentalfigur unmittelbar gegenübergestellt: „GegenSetzung“ nennt Gwiggner diese „temporäre Intervention im öffentlichen Raum“.

Die Gwiggner-Figur ist ja keineswegs aus Marmor: Vielmehr baute Gwiggner in Erinnerung an die beiden Ausstellungen Thorak/Wotruba im Jahr 1950 die Paracelsus-Figur nach: „Eins zu eins in kubischer Formensprache und symbolhafter Farbgebung mittels Kunststoffmaterialien als meine zeitgenössische Interpretation dieser historischen Bildhauer-Konfrontation.“

Von heute Dienstag (3.5.) bis nächsten Montag (9.5.) wird je nach Wetter- und Regen-Lage die Figur immer wieder stundenweise aufgestellt und der Künstler bei seinem Werk dann persönlich anwesend sein. Auch, um sich Diskussionen zu stellen: „Ich setze der marmornen ‚Paracelsus’-Skulptur von Thorak aus 1943  meine hybride ‚WoThora’-Figur aus 2010 entgegen.“

Die „hybride Mischung aus vergänglich-giftigen Materialien wie Polyester und Styropor sollte dem ewigen Marmor“ entgegengesetzt werden. Damit wolle er auch zu bedenken geben, so Gwiggner, „dass statt der NS-Kunst potentiell und alternativ – als Vorstellungsmodell – eine ‚Moderne’ möglich gewesen wäre“. Seine GegenSetzung – retro gegen modern – betrachtet der Künstler „als visuelles Nach-Fragezeichen“.

Thorak-Projekt von Bernhard Gwiggner
GegenSetzung - Dienstag (3.5.) bis Montag (9.5.) im Kurgarten - www.uni-mozarteum.at
Buchpräsentation - 19. Mai 18 Uhr Salzburg Museum - Josef Thorak. Hitlers Lieblingsbildhauer und sein Bezug zu Salzburg. Eine künstlerische Re-Vision von Bernhard Gwiggner. Edition Tandem
„Salzburg erzählt“ - Wotruba und Thorak. Ein Salzburger Gipfeltreffen besonderer Art - in der Salzburger Landesausstellung „Bischof.Kaiser.Jedermann“ - bis 30. Oktober
Bilder: Bernhard Gwiggner; dpk-klaba (1)
Zum dpk-Bericht 2010 über Gwiggners Thorak-Projekt
Erbe sind auch die Bilder, die wir im Kopf haben