Lob ans Vulgäre und an den Restmüll

OSTERFESTSPIELE / SATYRICON

26/03/18 Diese Sklaven! Solche Prachtkerle kann sich nur ein schwer-reicher Großindustrieller leisten. Und nur ein neu-reicher Emporkömmling ohne Kinderstube und Geschmack taucht sie auch noch in Goldbronze. Stumm und gelangweilt dienen sie ihren Herrinnen und Herren, tragen die Tafel auf und schleppen haufenweise Plastik herbei – Roben aus Gummihandschuhen und Müllsäcken.

Von Heidemarie Klabacher

Kein Schelm würde dem „teuersten Festival der Welt“ unterstellen, seinem Publikum einen Spiegel vorhalten zu wollen. Und wenn doch? Dann waren am Sonntag (25.3.) die Falschen im Republic bei der Premiere von Bruno Madernas Kammeroper „Satyricon“: Der Jubel über die unbotmäßige Satire in einer grandiosen szenischen und musikalischen Umsetzung war enorm.

Man kennt die endzeitliche Untergangs-Orgie von Fellinis gleichnamigen Film. Bruno Madernas Kammeroper speist sich aus der nämlichen Quelle: Das „Gastmahl des Trimalchio“ ist ein Kapitel im Roman „Satyricon“ von Titus Petronius. Der war Senator, Schriftsteller und vor allem Kaiser Neros Chefideologe in Stilfragen. Als „Schiedsrichter des feinen Geschmacks“ gefeiert, hielt er als Autor einer dekadenten Gesellschaft einen bis heute nicht trübe gewordenen Spiegel vor. Dennoch wurde Petronius nicht wegen Frechheit den Löwen zum Fraße vorgeworfen, sondern nahm sich im Zuge einer politischen Verleumdungsaktion das Leben, indem er sich die Pulsadern aufschnitt.

Das ist ein Leitmotiv in der präzise gezeichneten Personenführung von Regisseur Georg Schmiedleitner: Eine der weiblichen Figuren zieht beträchtlichen Lustgewinn draus, sich selbst oder anderen blutige Schnitte in den Arm zuzufügen. Auf der Party des Neureichen Trimalchio ist ein wenig Blut kein Problem. Körpersäfte fließen reichlich – innerhalb und außerhalb der überdimensionalen Kühlschränke, in die man sich gerne kleingruppenweise zurückzieht – nicht nur zum Champagner-Nachtanken.

Für vier weibliche und vier männliche Darsteller hat Bruno Maderna (1920-1973) seine Kammeroper „Satyricon“ geschrieben und das Libretto zusammen mit Ian Strasfogel selber verfasst. Gesungen wird in fünf Sprachen, darunter Latein. Im Mittelpunkt steht der ehemalige Sklave Trimalchio, der nach seiner Freilassung ein ungeheures Vermögen angehäuft hat. Nun ist die Schickeria zur Party gebeten. Diese wäre von den Elogen vulgären Geschmacks noch viel peinlicher berührt, wäre man nicht hinlänglich mit sich selbst beschäftigt.

Das Österreichische Ensemble für Neue Musik oenm und ein handverlesenes Vokalisten-Ensemble entfalten unter der Leitung von Peter Tilling Bruno Madernas fasziniernd schillernde Musik, die sich ungeniert durch die Musikgeschichte zitiert. Maderna soll ja einmal gesagt haben, dass „keine Note“ im „Satyricon“ von ihm selber sei. Fünf vorproduzierte Stücke werden von Band zugespielt. Wie sich da aus gemäßigt „zeitgenössischen“ Klängen langsam ausgewachsene Renaissance-Madrigale entwickeln, Chansons oder Schlager der Zwischenkriegszeit oder historisch informiert musizierte Momente mit barocker opera-seria-Anmutung: Das ist nicht nur voller Witz und Ironie. Mit diesen Passagen scheinen die artifiziellen Figuren, die lustvoll ausschließlich mit Selbstzerstörung befasst sind, immer auch ein wenig Sehnsucht nach „dem Echten“ auszudrücken. Zumindest weckt die subtile Personenführung von Regisseur Georg Schmiedleitner diesen Eindruck.

Tom Martinsen brilliert als vulgärer Trimalchio, Michal Doron als dessen Gemahlin Fortunata. Timothy Oliver als Habinnas wärmt virtuos die Klatschgeschichte über die Witwe von Ephesos auf. Zusammen mit Katerina von Bennigsen, Bernhard Hansky, Tahnee Niboro, Jennifer Riedel, Matthias Henneberg entfalten deise grandiosen Sänger-Darsteller einen Tanz auf dem Vulkan eines zeitlosen Endzeit-Szenarios. Faszinierend sind das Bühnenbild von Harald B. Thor und die Kostüme von Tanja Hofmann: goldglänzend und funkelnd und doch vor allem Restmüll. Die beiden eleganten stummen Diener fungieren als Bühnenarbeiter, verteilen einmal etwa Haufen von Plastik, die sich dann als barocke Roben für Damen entpuppen. Und wo kauft man anno 2018 solche Sklaven?

Satyricon – zwei weitere Aufführungen im Republic am Mittwoch (28.3.) und am Samstag (31.3.) - www.osterfestspiele-salzburg.at
Bild: OFS/Creutziger