Aus der französischen Musik-Wundertüte

OSTERFESTSPIELE / KONTRAPUNKTE 1 / KOZENA

04/04/12 Auf dem Kammermusikpodium der Osterfestspiele werden die Berliner Philharmoniker in Zukunft ohne Zweifel fehlen: Die „Kontrapunkte“, seit Abbado-Zeiten gestaltet von Ensembles aus den Reihen des Orchesters, laufen ja nun aus. Und damit eine Reihe, die die Berliner Musiker über die Jahre mit vorbildlichem Engagement geprägt und getragen haben.

Von Reinhard Kriechbaum

Da war das Konzert am Dienstag (3.4.) im Mozarteum keine Ausnahme. Und das erste Programm bot zudem entschieden mehr als eine „Garnitur“ zu den Vokalnummern von Magdalena Kozena, die sich ihrerseits in dieser Matinee ganz in den Dienst einer hoch auratischen Werkfolge stellte, die geeignet war, tatsächlich hineinzuführen in den Nukleus der französischen Musik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts.

Welchem Musikfreund mag schon einmal „Psyche“ von Manuel da Falla, eine gustiöse Komposition für Mezzosopran, Flöte, Harfe und Streichtrio, live untergekommen sein? Eine Pretiose auch Ernest Chaussons „Chanson perpètuelle“ für Gesang, Klavier und Streichquartett. Nach so viel Frauen-Schicksal waren die „Chants d’Auvergne“ von Joseph Canteloube, in denen der Mezzosopran von einem Bläserquintett und Harfe begleitet wird, so rechter Balsam: Folklorismen im okzidanischen Idiom, irgendwo zwischen Französisch uns Spanisch angesiedelt.

Für das und für einige tendenzielle Romantik-Schmachtfetzen von Gabriel Fauré (am Klavier: Hendrik Heilmann) findet Magdalena Kozena einen manche Hörer möglicherweise ob der Nüchternheit verwundernden Tonfall – aber mit ihrem geraden, vibratolosen Stimmansatz, mit der gestalterischen Kontrolliertheit verhindert sie, dass die Emotion wuchert. All diese Musik würde einen kräftigen Schuss Herzblut verkraften, aber ein bewusster Seelen-Abstand tut ihr auch gut.

Das Scharoun-Ensemble und die formidable Harfenistin des Orchesters, Marie-Pierre Langlamet, haben die Matinee mit Debussys „Danse sacrée und danse profane“ eingeleitet und auch mit Ravels „Ma mère l‘oye“ Wohlbekanntes hören lassen – dieses Werk freilich in einer raffiniert gesetzten Variante für elf Spieler, die trotzdem so farbig glänzte, als ob ein ganzes Orchester da säße. Eine doppelte, nein dreifache Rarität aber: Ferruccio Busoni hat eine Berceuse geschrieben, die er nach dem Tod seiner Mutter mit dem Untertitel „Berceuse èlègiaque. Des Mannes Wiegenlied am Sarg der Mutter“ betitelte und für Orchester setzte. Dieses Stück hat Erwin Stein für die Musikalischen Privataufführungen des Schönberg-Kreises in Wien kammermusikalisch gefasst, mit dem obligaten Harmonium. Faszinierend, die Begegnung also mit einem strukturell ver-klärten, abgeklärten und doch hoch auratisch anmutenden Stück.

Das Konzert wird am Freitag (6.4.) um 11 Uhr wiederholt. Eine Aufzeichnung ist am Ostersonntag (8.4.) um 19.30 Uhr in Ö1 zu hören - www.osterfestspiele-salzburg.at
Die jüngste CD-Aufnahme hat Magdalena Kozena "Lettere amorose", Arien des Frühbarock, gewidmet. Es begleitet das Originalklangensemble "Private Musicke" unter Pierre Pitzl - www.deutschegrammophon.com
Bild: DG/Matthias Bothor