Ganz wirklich und wirklich poetisch

OSTERFESTSPIELE / KONTRAPUNKTE 2

06/04/12 Die „Estampes“ von Debussy zu spielen liegt auf der Hand, wenn ein Konzertprogramm rund um „Carmen“ und französische Musik zu arrangieren ist: Spanischer geht es nicht. Das hat jedenfalls Manuel de Falla seinem Pariser Komponistenkollegen bescheinigt.

Von Reinhard Kriechbaum

Manuel da Falla hat in Hinblick auf das pianistische Stimmungsbild „La soirée dans Grenade“ (das Mittelstück der drei „Estampes“) von „Wirklichkeit ohne Authentizität“ gesprochen, denn nicht ein Takt sei der spanischen Volksmusik entnommen, aber das Ergebnis doch so andalusisch wie nur. Emanuel Ax, der drüben im Großen Festspielhaus heuer Beethovens Zweites Klavierkonzert so fabelhaft fein musiziert, hat natürlich auch dem Nachtstück eine besondere Duftnote verliehen, die Melodiepartikel wie von sanften Luftstößen herbei wehen und miteinander tänzeln lassen. Solche Töne ins Bild übersetzt ergäben eine verführerische Tourismusbroschüre.

In ähnlichem Sinn hat Emanuel Ax im dritten Satz der „Estampes“, wo die Pariser Schlossgärten im Regen illustriert werden, den Regenschirmverkäufern zugearbeitet: Was für Kaskaden!

Das zweite Kontrapunkte-Konzert war in der ersten Hälfte ausschließlich Debussy gewidmet: Emmanuel Pahud hat das bekannte Solo-Flötenstück „Syrinx“ mit sagenhaft lebendig moduliertem Ton hören lassen. Die Sonate für Violine und Klavier in g-Moll ist ganz später Debussy, so wie das Trio für Flöte, Harfe und Viola. Da war der Komponist schon ein gutes Stück hinaus über die bloße „Ton-Malerei“. In den Jahren knapp vor und während des Ersten Weltkriegs stand für ihn nicht anders als für deutsche und österreichische Komponisten der Zeit eine Neubewertung des Tonsystems, ein Experimentieren im Vordergrund. Da passte gut der nüchterne Ton, den Guy Braunstein der Violinsonate hat angedeihen lassen. Und in jeder Hinsicht viel-sagend auch Emmanuel Pahud (Flöte) und Amihai Grosz (Bratsche), die mit der famosen Harfenistin Marie-Pierre Langlamet in Dialoge von klanglicher Verführungskunst traten, die doch wie aus dem Moment heraus erfunden wirkten.

Es gibt aber auch rechte Wurzen im französischen Repertoire. Gabriel Faurés Klavierquartett Nr.1 c-Moll op. 15: ein gewaltiger Musikbrocken für einen unerschrockenen Pianisten, der dauerbeschäftigt über die Tasten fegen muss, zu einem eher kompakten Satz der drei Streichinstrumente. Da ist einem wieder Manuel da Falla und sein Diktum von wegen Wirklichkeit ohne Authentizität eingefallen. Vielleicht war die Wiedergabe seitens der Streicher ja einfach zu wirklich…

Bilder: www.berliner-philharmoniker.de