Nimm zwei bis fünf, aber nicht vier!

KONTRAPUNKTE (1)

01/04/10 Das waren noch Zeiten, als die österlichen "Kontrapunkte" inhaltlich an die jeweilige Opernproduktion angelehnt waren oder die Programme noch in sich eine gewisse Linie hatten. Aber das ist schon eine Zeitlang vorbei. Heuer ist das einzige, unausgesprochene Motto: "Kein Streichquartett"



Von Reinhard Kriechbaum

"Die heilige Viereinigkeit des Streichquartetts sparen unsere Kammerkonzerte diesmal konsequent aus zugunsten der Dreifältigkeiten, Fünferoppositionen oder sonstigen ungewöhnlichen Zusammenstellungen" - so heißt es im Programmheft heuer. Wenigstens keine Einfalt. Kammermusik bleibt's zu allen drei Terminen im Großen Saal des Mozarteums. Zum Auftakt am Mittwoch (31.3.) füllte das Publikum den Parterrebereich des Mozarteums einigermaßen großzügig.

Alle drei Programme nehmen von einem Streichtrio Joseph Haydns den Ausgang, wobei die Pianistin Imogen Cooper jeweils mit wechselnden Partnerinnen und Partner aus den Reihen der Berliner Philharmoniker zusammentritt. Im Fall des E-Dur-Werks Hob. XV:28 waren es Wolfram Brandl (Violine) und Sebastian Krunnies (Viola), die ihrerseits mit dem Cellisten Frank-Michael Guthmann (als Leihgabe von den Bamberger Symphonikern) das "Trio Echnaton" bilden.

Haydns Zeitgenossen hat es sicherlich mächtig verblüfft, wenn im Mittelsatz plötzlich die drei Instrumente im Unisono ein Fugenthema vorstellen, sich aber gleich wieder ausblenden, weil es eine ganze Weile lang vom Klavier allein weiterverarbeitet wird. Für solche Überraschungen war Haydn auch noch in seinen Londoner Jahren gut. Er wusste, wie man die Ohren der Zuhörer kitzelt und sie wach hält. Ob die drei Spieler am Mittwoch das - in den Ecksätzen - ebenso verstanden haben, bleibe mal dahingestellt. Das wirkte sehr solide, verlässlich routiniert. Aber vom Hocker gerissen hat es einen nicht.

Bevor man sich mit einem weiteren Kollegen (Mathew McDonald, Kontrabass) zu Schuberts "Forellenquintett" zusammenfand, spielte das Trio Echnaton noch etwas Ausgefallenes. Sándor Veress (1907-1992) geistert ja eher als namhafter Lehrer (in Budapest etwa von Ligeti und Kurtág, im Berner Exil unter anderem von Heinz Holliger) durch die Musikgeschichte. Als Komponist wird er heutzutage nur mehr ausnahmsweise wahrgenommen.

Sein Streichtrio ist ein in der Stimmung trübes Werk, sogar der wirbelige Schlusssatz, bei dem die Spieler auch die Korpusse ihrer Instrumente rhythmisch beklopfen dürfen, hat stark melancholische Einsprengsel. Es ist eine Musik, die sich wenig schert um Dogmen und Traditionen. Harmonisch geht sie weit hinaus übers Konventionelle. Bei allem Expressionismus kommt einem der Vergleich mit manch Sperrigem von Hindemith in den Sinn, und die stilistische Eigenbrötelei eines Frank Martin scheint auch nicht so weit weg. Das Wort "gefallen" ist bei solcher Art von Musik nicht angebracht. Man lässt sie als Hörer hinter sich mit dem Gefühl, etwas zur eigenen Horizonterweiterung getan zu haben.

Warum eigentlich dann fünf statt drei? Am selben Abend stellten bei den Schlosskonzerten andere Berliner Philharmoniker (und Cordelia Höfer) ihre neue CD mit Horntrios vor. Das hätte vielleicht besser gepasst als das "Forellenquintett". Aber wenn man das etwas lieblos zusammengewürfelte Kontrapunkte-Programm so ansieht, hat man das Gefühl, dass es niemandem und den Musikern selbst als Ganzes kein Anliegen ist. Wenn es jetzt also heißt, dass die Berliner Philharmoniker künftig auch das Land kammermusikalisch beglücken wollen, drängt sich im Moment nicht unbedingt ein Vertrauensvorschuss auf.

Die nächsten "Kontrapunkte"-Konzerte sind heute, Donnerstag (1.4.) um 19 Uhr und am Ostersonntag (5.4.) um 11 Uhr, jeweils im Großen Saal des Mozarteums. - www.osterfestspiele-salzburg.at