Musikalische Gestirne in Konjunktion

CECILIA BARTOLI / SALZBURGER FESTSPIELE PFINGSTEN / INTERVIEW

17/05/18 Mozart war drei Monate tot, als im Februar 1792 Rossini geboren wurde. 76 Jahre später, kurz vor Rossinis Tod am 13. November 1868, kamen Wagners „Meistersinger“ und Tschaikowskis „Erste“ heraus. Grieg arbeitete an seinem Klavierkonzert, Bruckner an seiner „Ersten“ und in Paris wurde Offenbachs Oper „La Périchole“ uraufgeführt: Intendantin Cecilia Bartoli widmet die Pfingstfestspiele 2018 Gioachino Rossini.

Sie haben das Todesjahr Rossinis, das sich 2018 zum 150. Mal jährt, zum Ausgangspunkt Ihrer Programmierung genommen. Was ist für Sie das Markanteste in jenem Jahr? Was hat ihre Programmierung am meisten beeinflusst?
CB: Tatsächlich kam mir der zündende Gedanke zu diesem Programm als ich realisierte, dass in Rossinis Todesjahr die Uraufführung von Wagners Meistersinger stattfand! Dieser Berührungspunkt zweier für mich gänzlich verschiedener musikalischer Planeten überraschte mich, und das Staunen hielt an, als ich weiterforschte, was sonst noch 1868 in der Welt geschah.

Nachdem Sie mit La Cenerentola bereits 2014 unter dem Motto „Rossinissimo“ ein regelrechtes Rossini-Feuerwerk gezündet haben, entschieden Sie sich für die kommenden Pfingstfestspiele wieder für Rossini. Was bedeutet Ihnen dieser Komponist?
CB: Rossini hat mich mein Leben lang begleitet: mein Debut gab ich 1987 an der Oper in Rom als Rosina. Seither kehre ich immer wieder gerne zu ihm zurück. Rossinis Kompositionen sind für uns Sänger besonders dankbar zu singen. Seine Musik ist einfach beglückend! Ich bin stolz, dass wir ihm diese Hommage zu seinem 150. Todestag erweisen dürfen.

Seitdem Sie die Salzburger Festspiele Pfingsten künstlerisch leiten, stehen immer wieder Frauenfiguren im Mittelpunkt des Programms. Was ist die Isabella für eine Frau?
CB: Ich freue mich sehr auf die Rolle der Isabella! Es wird wieder ein Rollendebüt sein. Isabella hat es faustdick hinter den Ohren, sie ist keine Märchenprinzessin, sondern eine clevere Frau, die modern und emanzipiert handelt.

Was war ausschlaggebend, Rossinis Oper L’italiana in Algeri für Salzburg auszuwählen? Sehen Sie Gegenwartsbezüge darin?
CB: Nein, ich würde keine konkreten Gegenwartsbezüge an den Haaren herbeiziehen wollen: natürlich haben wir es beim Libretto mit Klischees zu tun, wie zum Beispiel das Schicksal einer weißen Frau unter den Machos in Nordafrika. Aber es wäre schade, wenn wir das allzu wörtlich nähmen. Am ehesten würde ich bei der Italiana das Zeitlose herausstreichen: Wie kann es gelingen, mit Humor und Cleverness eingefahrene Handlungs- und Denkmuster zu durchbrechen?

Es inszenieren Moshe Leiser und Patrice Caurier, mit denen Sie in Salzburg unter anderem Giulio Cesare in Egitto (2012), Norma (2013) und Iphigénie en Tauride (2015) erarbeitet haben. Was ist das Besondere an deren Regiearbeit?
CB: Moshe Leiser und Patrice Caurier sind zwei wunderbare Künstler: sie arbeiten unglaublich exakt und feinfühlig. Sie zeichnen die Figuren wie im Sprechtheater, holen uns Interpreten lange vor der eigentlichen Szene ab und lassen nicht nach, bis jede auch noch so kleine Geste sitzt und sich natürlich anfühlt. Darüber hinaus sind sie auch musikalisch hervorragend vorbereitet. Der Aufbau der Szenen entwickelt sich nie nur aus dem Libretto, sondern aus der Musik, sodass das Resultat diese doppelte Schlagkraft von Text und Musik mit sich bringt.

Auch Jean-Christophe Spinosi ist kein Unbekannter in Salzburg, er dirigierte bei den Pfingstfestspielen 2014 La Cenerentola und Otello. Was macht die Zusammenarbeit mit ihm aus?
CB: Ich kenne Jean-Christophe Spinosi seit vielen Jahren. Er ist ein toller Partner und sein Ensemble ist fantastisch. Es macht einfach Freude mit so einem Orchester Rossini zu spielen, alles ist klar, transparent und spritzig, wie Champagner!

Wenn Bartoli ruft, haben alle großen Musiker Zeit. Worin besteht Ihr Geheimnis, sie nach Salzburg zu locken?
CB: Das hat wohl mit den vielen Jahren Karriere zu tun. Als Musikerin ist man nie allein, Musik entsteht immer in der Zusammenarbeit verschiedener Interpreten. Und wenn wir ein Programm einstudieren, arbeiten wir sehr intensiv zusammen. Ich hatte das Glück mit vielen hervorragenden Künstlern zusammen auftreten zu dürfen und auf diese Kontakte greife ich auch gerne zurück. Schließlich kenne ich die Künstler, die ich nach Salzburg einlade, persönlich und habe auch eine klare Vorstellung davon, welches Repertoire ich mir am ehesten von ihnen wünsche. Unser Ziel ist es immer, die Exzellenz zu fördern und über den Alltag hinaus einzigartige Preziosen zu kreieren, die man nur in Salzburg erleben kann.

1868 wurde Jacques Offenbachs Oper La Périchole uraufgeführt, die Sie konzertant auf den Spielplan gesetzt haben. Was erzählt dieses Meisterwerk der komischen Opernliteratur?
CB: Selber habe ich mich noch nicht an Offenbach gewagt, obwohl immer wieder Ideen in diese Richtung hin auftauchen. Offenbach ist eine Art Fortsetzung von Rossini, zu einer anderen Zeit und in einem anderen Land. Aber auch bei Offenbach spüre ich die Leichtigkeit und Spritzigkeit, die die komische Oper einfach braucht und mit Marc Minkowski und seinen Musiciens du Louvre sind wir auf dem richtigen Weg - inklusive der idiomatischen französischen Eleganz.

Anton Bruckners 1868 entstandener Motette Pange lingua stellen Sie am Pfingstsamstag Johannes Brahms’ Deutsches Requiem – das in der sechssätzigen Fassung am Karfreitag des Jahres 1868 uraufgeführt wurde – gegenüber. Was verbindet die beiden Werke der Antipoden Bruckner und Brahms abgesehen vom Entstehungsdatum?
CB: Pfingsten ist ein wichtiges Fest im Kirchenjahr. Es gibt jedoch nicht viel religiöse Musik, die ausdrücklich für Pfingsten komponiert wurde. Deshalb hat es mich besonders gefreut, als wir – im Gespräch mit Markus Hinterhäuser – auf diese zwei wichtigen Werke gestoßen sind, die ihrerseits wieder ein neues Licht auf das Jahr 1868 werfen. Die Festspielbesucher werden es goutieren, zwischen den beiden komischen Opern in diese ernste, spirituelle Musik eintauchen zu können.

Maxim Vengerov führt Max Bruchs virtuoses Erstes Violinkonzert, das ebenfalls 1868 vollendet wurde, mit der Camerata Salzburg am Pfingstmontag auf. Was zeichnet das Werk dieses Komponisten aus und warum gilt dieses Stück als repräsentativ für seine Epoche?
CB: Ich verehre Maxim Vengerov als einen der begnadetsten Musiker, die ich je getroffen habe. Und als ich erfuhr, dass auch das Erste Bruch-Violinkonzert - ein Meilenstein der Solo-Konzert-Literatur - im Jahr 1868 uraufgeführt wurde, war es für mich klar, dass ich dafür unbedingt Maxim haben wollte. Und wir haben es geschafft.

Warum sollte man die Salzburger Festspiele Pfingsten 2018 nicht verpassen?
CB: Obwohl eigentlich sehr streng um das Jahr 1868 herum konzipiert, möchten wir zu Pfingsten 2018 ein besonders vielfältiges Programm anbieten: genau wie ein Kaleidoskop, bei dem die verschiedenen Facetten von einem Zentrum ausgehen. Als große Künstlerfamilie werden wir unser Bestes geben, sodass die Aufführungen und Konzerte das Publikum über die Pfingsttage in Salzburg hinaus begleiten und beflügeln. (Salzburger Festspiele)

Die Salzburger Festspiele Pfingsten  von - 18. bis 21. Mai - www.salzburgerfestspiele.at
Bilder: SFS/Uli Weber, Decca; Marco Borggreve