S.P.O.R. und die Zicken auf dem Forum

FESTSPIELE PFINGSTEN / LA CLEMENZA DI TITO

23/05/21 Seit wann hat der Bachchor Salzburg Sitz und Stimme im Römischen Senat? Seit dem fulminanten Titus bei den Pfingstfestspielen. Ins Monumentale vergrößerte Kupferstiche suggerieren römische Antike. Der Chor scheint bei den Senatoren zu sitzen.

Von Heidemarie Klabacher

Und wieder einmal La Bartoli. In der Hosenrolle des Sesto, eines jungen Römers, der sich aus blinder Liebe von einer blöden Kuh zum Kaisermord verführen lässt, steht sie im Zentrum von Mozarts La clemenza di Tito. Der Jubel nach der zentralen Arie Parto ma tu ben mio mit konzertierender Klarinette galt der Stimmkünstlerin wie dem Solo-Klarinettisten gleichermaßen. Die haben im pianissimo die Zeit still stehen lassen... Es ist „nur“ eine konzertante Aufführung. Nur? Ansichten aus dem Alten Rom, wie sie das 19. Jahrhundert imaginiert haben mag, versetzen suggestiv mitten in die Intrigen am römischen Kaiserhof. Die Namen der für die Bilder und deren Projektion Verantwortlichen werden vom Programmbuch leider verschwiegen. Sie imaginieren jedenfalls mit größter Ruhe (es gibt nur wenige Bildwechsel, aber die sitzen) und Überzeugungskraft Forum und Hof. Allwo seine sprichwörtliche Milde dem Kaiser Titus Vespasianus – die Opernfigur ist der historischen Persönlichkeit angelehnt – wenig gedankt wird. Gianluca Capuano am Pult seiner Musiciens du Prince-Monaco leitet den Tito bei den Festspielen Pfingsten im Haus für Mozart. Es ist der zweite große Act des Originalklangensembles neben dem szenisch aufgeführten Händel-Oratorium.

Auch Charles Workman, souverän in der Kaiserrolle, ist auf Mozart und Händel gebucht. Genau wie Cecilia Bartoli, die im Oratorium als Personifikation des  charakterlich ein wenig eindimensionalen Vergnügens, bei Mozart in der deutlich komplexeren und konfliktbeladeneren Figur des Sesto brilliert. Umgekehrt gelingt es Mélissa Petit, der zerrissenen Hauptfigur der Schönheit bei Händel, der beinah nur dekorativen Servilia im Tito eindrücklich Farbe und Charakter zu verleihen.

Das Konfliktzentrum in La clemenza di Tito ist die tobende Prinzessin Vitellia, die den heillos verliebten Sesto, also eine Hosenrolle für die Bartoli, zum Kaiser- und Freundesmord aufstachelt: Hat Titus sich doch erfrecht, zuerst eine andere zu lieben und dann eine nochmals andere aus Staatsräson heiraten zu wollen, bevor er, allerdings zu spät für seine Seelenruhe, endlich auf Vitellia kommt. Wie hat Mozart sich nicht auf gemeingefährlich eifersüchtige Zicken verstanden.Persönliche Erfahrung womöglich? Da ist die Elettra im Idomeneo, von der Königin der Nacht ganz zu schweigen. Die Sopranistin Anna Prohaska erschüttert ganz Rom und den Hof des Titus als funkensprühendes Energiebündel und setzt dessen Milde größten Herausforderungen aus. Auch der Vitellia gehört eine Arie mit konzertierendem Soloinstrument. Im wehmütigen Non più di fiori mit Bassetthorn sieht die Reuige ihre Schuld ein und begräbt jede Hoffnung auf Liebe, Ehre und Kaiserthron. War das nicht der der gleiche Musiker, wie bei der Sesto-Arie? Delikater, virtuoser und betörender können diese Solopartien nicht gespielt und gewünscht werden. Zwei Höhepunkte. Klangzauber.

Die Sopranistin Lea Desandre als Sestos bester Freund Annio gestaltet diese Hosenrolle zu einer bewegenden – und in dieser Produktion, gefühlt jedenfalls –  deutlich zentraleren Figur. Da kann sich durch die klugen Streichungen das Gewicht ein wenig zu Gunsten dieser allen Parteien gegenüber immer loyalen Figur verschoben haben. Peter Kálmán als Publio vertritt mit Souveränität das tiefe Stimmfach. Der Bachchor Salzburg, bestens präpariert und einstudiert von Gianluca Capuano persönlich, ist wie ein Mann mit Lob und Preis markant zu Stelle, wenn das Protokoll Jubel vorschreibt.

Bilder: SFS / Marco Borelli
24/05/21 Die Salzburger Festspiele haben uns auf Nachfrage freundlicherweise folgende Information zu den Projektionen gesendet:
Die Aufführung von Mozarts La clemenza di Tito bei den Salzburger Pfingstfestspielen 2021 ist eingebettet in Projektionen von diversen Bühnenbildentwürfen des italienischen Bühnenbildners, Architekten und Malers Alessandro Sanquirico (1777 – 1849). Die kolorierten Lithografien zeigen großteils Szenen aus seinem Bühnenbild zur Tito-Inszenierung am Teatro alla Scala 1818. Die Vorlagen stammen aus der Privatsammlung Sergio Ragni, Neapel. Im zweiten Akt wird u. a. auch Giorgio Fuentes’ (1756 – 1821) Bühnenbildentwurf „Platz in der Gegend des Kapitols“ für La clemenza di Tito am Frankfurter Nationaltheater 1799 projiziert.