Bitte noch ein drittes und viertes Mal!

FESTSPIELE PFINGSTEN / WHAT PASSION

23/05/21 Geplant war's anders. Sir John Eliott Gardiner hätte am Vormittag des Pfingstsonntags mit seinen Ensembles ein geistliches Programm Dixit Dominus gestalten sollen. Reisen geht noch nicht so, wie's nötig wäre. Kein Problem für die Pfingstfestspiele. Wenn's ernst wird, macht eben die Bartoli einfach durch. Dixit Domina also!

Von Reinhard Kriechbaum

Es ist schon erstaunlich, was diese Sängerin quasi unter Dauer-Hochdruck zu leisten imstande ist. Die Arienfülle allein dieses „Einspring-Termins“ würde mancher Kollegin und manchem Kollegen als Wochenpensum genügen. Cecilia Bartoli aber haut sich Tag für Tag, Abend für Abend rein. Eine vokale Ochsentour? Die Stimme zeigt nichts vom Energie-Überdruck dieser Sängerin, wirkte zu dieser Mittagsstunde geradezu entspannt und flockig.

Reden wir nicht von einem Konzert, nennen wir's Performance. Die Programmfolge nach dem Motto What passion cannot Music raise, Händels Caecilienode HV 76 entlehnt, war hier schon mal zu hören. Im vorigen Festspielsommer in der Reihe Canto lirico.

Die Besprechung dieses fulminanten Konzerts gilt eins zu eins auch für diesmal, wir würden nicht einen Buchstaben dran ändern wollen (nur im Zugabenblock gab es kleine Änderungen). Und am liebsten möchten wir jetzt schreiben: Bitte noch ein drittes und viertes Mal! Ein Streifzug also durch die Passion, die in Tönen reflektierten Leidenschaften in der Musik.

Cecilia Bartoli ist ja nicht nur eine Sängerin, die vom Habitus her für Leidenschaft jeder Art steht, sie ist auch an der historischen Aufführungspraxis interessiert. Gerade deshalb ist sie ja mit dem Originalklangensemble Les Musiciens du Prince-Monaco und dessen Leiter Gianluca Capuano unterdessen geradezu familiär verbunden. Das Außergewöhnliche an diesem gemeinsamen Programm: Da spürt man in schönster Gemeinschaftlichkeit der barocken Musik-Rhetorik nach. Die wunderbaren Solobläser und streichenden Stimmführer und die Bartoli entwickeln gemeinsam so etwas wie ein Musterbuch der Wendungen und Floskeln, deren Ausdrucksgehalt im Barock allgemein verstanden wurden. In Instrumentalkonzerten dürfen die Solisten auf ihren Instrumenten „singen“, und im Gesang der Bartoli wird klar, wie und wieso das jeweilige melodische Vokabular so und nicht anders sein konnte und sein kann.

Dass das keine trockene musikhistorische Lehrstunde wird, dafür steht Cecilia Bartoli mit ihrer Bühnenpräsenz. Mehr dazu in unserer Besprechung vom vorigen Festspielsommer. Wir wollen hier aber nochmal davon schwärmen, wie ausgeklügelt dieses Programm konzipiert ist, aufs Engste verzahnt zwischen den vokalen und instrumentalen Beiträgen. Bei aller Persönlichkeitsstärke der Bartoli: Es bleibt der Blick frei auf die herausragende Qualität der Musiciens du Prince-Monaco, die derzeit fraglos zur Spitze der Originalklangensembles zählen.

Und noch was: Wundersam integriert sind die Projektionen, bildliche Barockwelten in starker Gestik. Leider verschweigt das Programmheft, wer diese Bilder zur Musik ausgesucht hat. Nikolaus Harnoncourt sagte mal als Begründung für seinen entschiedenen Einsatz für den Originalklang und die historische Aufführungspraxius: Er habe immer tolle Bilder und Fresken gesehen, aber nur langweilige Musik dazu gehört. Dieser Vormittag mit Cecilia Bartoli und den Musiciens du Prince-Monaco hat wieder einmal gezeigt, dass die Musik, recht verstanden und auf den Punkt musiziert, locker mithalten kann mit der Malerei der Epoche. Vielleicht ist sie sogar aufregender.

Bilder: Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus (1), Marco Borrelli (1)
Zur Besprechung des Konzerts im Festspielsommer 2020
Aus Cecilias Noten- und Kostümkoffer