Sehnsuchtsort Venedig

PFINGSTFESTSPIELE / JOYCE DI DONATO

10/06/14 Sie sind selten geworden - die Liederabende, die nur dazu dienen, einer Sängerin oder einem Sänger Gelegenheit zu bieten „Stimme“ zu zeigen. Das ist im Falle einer Joyce diDonato sehr viel: brillante Technik, perfekt geführte groß und farbenreich aufblühende Linien, virtuos perlende Koloraturen, ja sogar „Spielwitz“. Dennoch bleibt ein Gefühl der Leere.

Von Heidemarie Klabacher

Dabei hatte die Liedmatinee der Pfingstfestspiele am Montag (9.6.) mit „Venezianische Gesänge“ ein dramaturgisch überaus reizvolles Programm. Vivaldi passt natürlich immer zu Venedig, auch wenn die Oper „Ercole sul Termodonte“ aus dessen Römischer Zeit stammt. In der Arie „Onde chiare che sussurrate“ schildert eine Heldin ihren Liebeskummer Mutter Natur – deren trostvolles Murmeln und Raunen in Bächlein und Windhauch Joyce diDonato empfindungs- und reizvoll nachzeichnete.

Bereits für die Arie „Amato ben“ hätte es klangrednerischen Gestaltungswillens bedurft, um das einförmige Hoffen und Freuen auch mit ein wenig Leben zu behauchen.

Spannend war die Begegnung mit Cinq Mélodies op. 58 „De Venise“ von Gabriel Fauré: Auch hier wird gesäuselt, geschmachtet und gehofft – wohl in einem anderen Idiom, aber mit dem nämliche Prinzip des Stimme-Vorführens. Ein Augenblick sängerischen Gestaltungswillens, der auch prompt in Erinnerung geblieben ist: die Schlusszeile „Le rossingol chantera“ aus dem Lied „Mit gedämpftem Klang“ – ein hauchfein gestalteter Rückzug in die eine geheimnisvolle Trauer.

Mit Rossinis dreiteiligem Zyklus „ La regata veneziana“ schlug Joyce diDonato endgültig das Albumblatt der Virtuosin auf. Sie ließ ihr Publikum teilhaben an den Herzensbewegungen einer jungen Venezianerin, die vom Balkon des Palazzo aus ihren Geliebten im Wettstreit der Gondelfahrer anfeuert. Begleitet worden ist diDonato übrigens vom Pianisten David Zobel.

Besser nicht aufgeführt worden wären Franz Schuberts Lied „Gondelfahrer“ D 808 und Robert Schumanns Zwei Venetianische Lieder aus „Myrthen“ op. 25. Niemand erwartet von einer Sängerin vom Format einer Joyce diDonato einen Zugang zum Lied.

Warum sie diesen sucht – in der Öffentlichkeit und unter Offenbarung aller Hilflosigkeit im Umgang mit dem Text im Speziellen und der intimen Gattung Lied im Allgemeinen – hat sich nicht erschlossen. Freilich passten die Lieder dramaturgisch perfekt ins Venezianische Programm.

Reizvoller Höhepunkt der Matinee waren die Venedig-Zyklen zweier amerikanischer Komponisten – Vertreter einer klassischen Moderne den Lebensdaten, Postromantiker den Werken nach. „Three Songs of Venice“ von Micheal Head (1900 bis 1976) und sechs Lieder aus „Venezia“ von Reynaldo Hahn (1875 bis 1947) erlaubten Sängerin und Publikum das Schwelgen in purem Wohlklang. Die von Joyce diDonato überirdisch zart gestaltete große Kantilene auf den Seufer „Ah“ im Lied „La barchetta“ von Reynaldo Hahn zieht noch immer durch die Erinnerung wie Frühlingshauch und Sommerruh – und das ist viel.

Bild: SFS/Silvia Lelli (1); SFS/Jens Rassmus (Ausschnitt aus der Illustration Rossinissimo)