Als das Zicken noch geholfen hat

PFINGSTFESTSPIELE / SEMELE

24/05/15 Als das Zicken den Frauen noch geholfen hat, konnte eine Prinzessin von Theben eine gute Partie ausschlagen - weil sie sich Höheres, nämlich Jupiter persönlich, in den Kopf gesetzt hat – und damit durchkommen. Der Wunsch, den chefgöttlichen Liebhaber in „unverhüllter Gestalt“ zu erblicken, hat sie zwar das irdische Leben gekostet, unsterblich ist Semele trotzdem geworden.

Von Heidemarie Klabacher

Eine Aufführung wie die bei den Salzburger Pfingstfestspielen – keineswegs ein x-beliebiger Kultort in der Pampa – hilft der Prinzessin Semele auch fürderhin unsterblich zu bleiben. Hat doch am Samstag (23.5.) im Haus für Mozart eine Cecilia Bartoli der Kadmostochter Gestalt und Stimme geliehen: Sie hat uns allen die wohl zickige, in ihrem Drang nach dem Größten aber auch bewundernswerte Prinzessin eindringlich ans Herz gebunden.

Mit einem Wort: Es war ein Festspiel. Ein opulentes farbiges lustvolles Festspiel für alle Sinne, auch wenn ganz nüchtern „Konzertante Aufführung“ im Programm steht: „Semele. Opera after the manner of an Oratorio“. Georg Friedrich Händels betörende Melodien für die Solisten, die unendlich vielgestaltigen Klangmalereien für das Orchester brauchen kein Bühnebild und keine Kostüme. Schon gar nicht, wenn sie von solchen „Kalibern“ des Faches gesungen und gespielt werden.

Cecilia Bartoli war als Semele in Höchstform, ließ Koloraturen perlen, ließ in ihrem atemberaubendem Piano und Pianissimo die Gefühle überborden. Kein Wunder, das Jupiter schwach geworden ist: Charles Workman war ein ebenso „würdiger“, wie leidenschaftlicher Jupiter, der geradezu menschliche Sorge spürbar werden ließ, als seine ungestüme Geliebte verlangte, ihn nicht in länger nur in menschlicher Verkleidung sondern in wahrer Göttergestalt ererblicken zu dürfen. Das überlebe keine Sterbliche, die bestenfalls dafür geschaffen sei, die Stürme der Liebe zu bestehen, so Jupiter.

Vielleicht nicht ganz up to date vom Frauenbild her - aber wen schert das, angesichts Musik gewordener Emotion, die so überwältigend musikantisch und gesangstechnisch so perfekt interpretiert wird.

Nicht alles ist friedlich in Arkadien. Schon gar nicht eifersüchtige Götter-Gattinnen wie Juno in Gestalt von Birgit Remmert, einer Wagner-Heronie mit der wendigen Beredsamkeit einer Barocksängerin. Sie ist dazu eine ausgewachsene Komödiantin, die der verblendeten Nebenbuhlerin locker den Weg in den Untergang schmackhaft zu machen weiß. (Juno redet der Semele ja ein, dass sie unsterblich würde, sobald sie den Unsterblichen unverhüllt erblickt hätte.) Rebeca Olvera als ebenfalls hinreißend komödiantisch auftretende und virtuos singende Iris (Göttin der Zwietracht) half nach Kräften die Intrige der Juno zu spinnen.

Zum Glück hat Andreas Scholl als Semeles vermähter Verlobter Athamas am Ende noch eine Einlage-Arie singen dürfen, sonst wäre sein Auftritt gar zu kurz ausgefallen: So hatte er Gelegenheit, seiner neuen Verlobten Ino – der von Anfang an in ihn verliebten Schwester der Semele – mit grandios gesunden Koloraturen zu huldigen.

Liliana Nikiteanu sang mit weich gerundeter Altstimme die Partie der Ino, einer erstaunlich selbstbewussten jungen Dame, die sich nicht scheut, den Geliebten ihre Gefühle erkennen zu lassen. Fehlt noch Peter Kálmán in diesem Sänger- und Götter-Olymp: Als Cadmus König von Theben muss er sich die Töchter sorgen. Als Gott des Schlafes Somnus zeigt er seine wahre Größe: verschlafen, brummig, hellwach und voll Tatendrang erst, als Juno ihm für seine Hilfe ihrerseits Hilfe bei der Brautwerbung verspricht…

Dieses handverlesene Sängerensemble wurde bejubelt, betrauert, in jeder Hinsicht unterstützt  vom Coro della Radiotelevisione Svizzera Lugano und auf Wolken, Stürmen und Händen getragen vom Orchester I Barocchisti unter der Leitung von Diego Fasolis.

Bilder: Salzburger Festspiele / Carolyn Bates (1); Franck Pizzoferrato (1); Uli Weber / Decca (1); James McMillan (1)