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Musik zum „Staat machen“ und still werden

PFINGSTFESTSPIELE / THE TALLIS SCHOLARS

17/05/16 Der Tiertrainer der Festspiele hat perfekt gearbeitet: Eine Taube flog auf draußen vor dem mächtigen Apsisfenster der Kollegienkirche – am Pfingstmontag just zu den ersten Takten von Thomas Tallis „Loquebantur variis linguis“. Was folgte war ein uneinholbarer Höhenflug vokaler Klangkultur.

Von Heidemarie Klabacher

Katholisch oder Protestantisch. In dieser Frage ging es in England gelegentlich recht blutig zu. Die Geschichte der teils hingerichteten Königinnen und Könige, die ihrem Volk jeweils die eigene Überzeugung und Konfession aufzwingen wollten, sollen die Historiker erzählen. Die Komponisten der Tuodor-Zeit standen ohnehin über den Dingen.

Thomas Tallis, William Byrd und John Sheppard haben Werke geschaffen, von denen nicht nur jedes einzelne Stück jeden Fan des acaplla Gesanges bis heute zum Abheben bringt.

Sie haben als Hofkomponisten, -organisten oder -sänger nicht nur der Größe ihrer jeweiligen Regenten und dem Ideal eines bis heute noch zu definierenden „England“ gehuldigt. Sie haben, egal ob persönlich protestantisch oder katholisch, die katholische Liturgie bestens gekannt, ebenso wie die Sakralmusik des Kontinents, angefangen beim Gregorianischen Choral.

So entführt ein Stück wie John Sheppards „Gaude, Gaude, Gaude“ in eine Welt, die dem katholisch sozialisierten Vokalmusik-Fan so vertraut wie fremd ist. Da fängt die erste Zeile einstimmig an, wie eine beliebige Antiphon im Gregorianischen Choral, um schon nach den drei „Gaude“-Rufen quasi zu explodieren in reichste strahlendste Harmonien.

Atemberaubend ist dann zusätzlich die Souveränität, mit der die Tallis Scholars einstimmigem Gregorianischem Choral und mehrstimmige Harmonik, solistische Rezitation und sechstimmigen Ensembleklang, Frauenstimmen und Gesamtensemble jeweils zum Wechsel bringen. Zehn Stimmen sind es – ein einziger Klang, ein einziger Gedanke. „Loquebantur variis linguis“ – also „redeten in verschiedenen Sprachen“ – heißt es im siebenstimmigen Studengebetsgesang von Thomas Tallis zum Pfingstfest. Die zehn Tallis Scholars reden in einer einzigen Sprache: der der perfekten Ausgewogenheit im Ensembleklang, der schier ins Unendliche weisenden Gestaltung der musikalischen Linien, einer Phrasierung, die von weltlichen Problemen - wie gelegentlich Atemholen müssen - nicht beschwert zu werden scheint.

William Byrds „Propers for All Saints“, „Tribue domine“ und seine „Mass for four voices“ standen weiters auf dem Programm. Peter Phillips „leitet“ die Tallis Scholars. Besser gesagt, er gibt viel eher gelegentlich eine Anregung, etwa um eine einzelne Stimme, oder Stimmfarbe, für Augenblicke hervortreten, herausblühen - und dann sogleich wieder im Gesamtklang aufgehen zu lassen. Sie sind immer perfekt. Und doch ist jede Begegnung mit den Tallis Scholars ein neues Pfingstwunder.

Bilder: Salzburger Festspiele / Silvia Lelli

 

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