Das "Fasten der Augen"

REISEKULTUR / KÄRNTEN / FASTENTÜCHER

23.02.2010 Fastentücher gehören zu den ältesten Zeugnissen von Glaube, Kultur und Brauchtum. Mit rund vierzig Fastentüchern verfügt Kärnten über den größten Bestand an diesen oft Jahrhunderte alten Kunstwerken.

Nicht nur in Kärnten werden ab Aschermittwoch in zahlreichen Kirchen Bildertücher im Chorraum hochgezogen, um Altar und Kreuze zu verhüllen. Sie bleiben dort üblicherweise bis zum Mittwoch der Karwoche, mancherorts auch bis zum Karsamstag.

Das älteste und zugleich größte der erhalten gebliebenen Fastentücher in Kärnten - das Fastentuch von Gurk - stammt aus dem Jahr 1458 und enthält 99 szenische Darstellungen auf 80 Quadratmetern Leinentuch. Eine Besonderheit des Gurker Fastentuches ist die Einbindung und Darstellung von Menschen aus der Profangeschichte in den Heilsplan Gottes, zum Beispiel von Alexander dem Großen, Julius Cäsar oder Kaiser Augustus.

Weitere bedeutende Fastentücher sind jene von Haimburg (1504), Reichenfels (um 1520, jetzt in Bad St. Leonhard), Steuerberg (um 1530, Diözesanmuseum) und Millstatt (1593).

Die Tradition der Fastentücher geht auf einen fast tausend Jahre alten kirchlichen Brauch zurück. Die Gründe für die Entstehung der Fastentücher sind vielschichtig. Der ursprüngliche Zweck war die Verhüllung, gleichsam ein "Fasten der Augen". Je dekorativer die anfänglich schmucklosen Tücher im Laufe der Zeit mit biblischen Szenen ausgestaltet wurden, desto mehr dienten sie auch der Glaubensunterweisung. Sie hatten damit zugleich eine verhüllende, dekorative und lehrende Funktion. So manches Fastentuch wurde wegen seines Bilder-Reichtums zu einer anschaulichen "Biblia pauperum" für jene, die des Lesens unkundig waren.

Warum jedoch gerade in Kärnten so viele der ursprünglich europaweit verbreiteten Fastentücher erhalten geblieben sind und bis heute ihren Platz im kirchlichen Festbogen haben, ist nicht bekannt.

Viele Fastentücher wurden in den letzten Jahren wieder neu aufgefunden. In Pisweg wurden 2001 zwei Fastentücher auf einem Dachboden entdeckt, die aus der Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts stammen. Restauriert werden sie nun wieder aufgezogen und sind der Öffentlichkeit zugänglich. Heinz Ellersdorfer, ein Kenner Kärntner Fastentücher, hat in den letzten Jahren rund neunzig Tücher gesichtet und erfasst. Wenn auch nicht alle hohe künstlerische Qualität aufweisen und sich im besten Zustand befinden, so sind sie dennoch wertvolle Zeugnisse der Volkfrömmigkeit und zeigen Entwicklungslinien der Kirchen- und Kunstgeschichte sowie der Liturgie und Frömmigkeit.

Sehenswerte Fastentüchern gibt es in Kraßnitz, Straßburg St.Nikolaus, St.Peter/Taggenbrunn, Metnitz, Lieding, Deutsch-Griffen, Pisweg und Dreifaltigkeit am Gray. Von den "jüngeren" Fastentüchern sind jene von Karl Bauer in Klagenfurt-St. Peter (1983), von Peter Brandstätter in Maria Bichl/Lendorf (2000) und aufgrund seines theologischen Konzepts jenes von Villach-Heiligenkreuz (1994/95) zu nennen. Karl Wolschner schuf 1990-94 ein Fastentuch in Seidenbatik-Technik, das nun in Maria Saal zu sehen ist. Mit 35 Quadratmetern ist es das größte Tuch in dieser Technik. Lisa Huber gestaltete ein Fastentuch 1999 für den Hochaltar der Stadtpfarrkirche Gmünd, 2006 schuf Valentin Oman ein Fastentuch für die Pfarrkirche Latschach/Loce am Faakersee. Das jüngste Kärntner Fastentuch stammt von Ferdinand Penker: Es ist 2009 entstanden und ist in der Stadtpfarrkirche von Straßburg im Gurktal zu sehen. (Kathpress/Diözese Gurk/dpk)

Eine Liste der wichtigsten Fastentücher in Kärnten: www.kath-kirche-kaernten.at
Informationen über Besichtigungsmöglichkeiten des Gurker Fastentuchs: Stiftspfarre Gurk, Tel. 04266/8236-12, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! ; www.kath-kirche-kaernten.at
Allgemeine Informationen: Referat für Tourismuspastoral, Mag. Roland Stadler,
Tel. 0043 0463/5877-2115 Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Bilder: Pressestelle der Diözese Gurk / Eggenberger