asdf
 

Bewundert seit genau einem halben Jahrtausend

REISEKULTUR / ROM / SIXTINISCHE KAPELLE

30/10/12 Wen es gilt, einen Papst zu wählen, dann versammeln sich die Kardinäle hier. Normalerweise ist die Sixtinische Kapelle aber nicht „con clave“ versperrt. An manchen Tagen sind es bis zu 20.000 Menschen, die sich durch den zum Weltkulturerbe deklarierten Sakralraum schieben.

Von Johannes Schidelko, Kathpress

Das Dauergedränge und der trotz Lautsprecherdurchsagen immer wieder anschwellende Geräuschpegel lassen die religiöse Rolle der Sixtina oft vergessen. Morgen Mittwoch (31.10.) steht für die Papstkapelle ein Jubiläum an: Vor 500 Jahren stellte Michelangelo die Deckenfresken fertig und präsentierte sie seinem begeisterten Auftraggeber Papst Julius II. (1503-1513).

Das Fresko, dem Michelangelo 25 Jahre später mit dem "Jüngsten Gericht" ein zweites Meisterwerk hinzufügte, stellt die Anfänge der Welt und der Heilsgeschichte dar. Eingebettet in eine Scheinarchitektur und umgeben von Propheten und Sibyllen zeigt es in einem ersten Teil die Erschaffung der Welt, die Scheidung von Licht und Finsternis, die Erschaffung der Sterne und den Geist Gottes, der über den Wassern schwebt. In drei weiteren Bildern folgt die Schöpfung des Menschen mit der weltberühmten Erschaffung des Adam, der Eva und der Vertreibung aus dem Paradies. Weitere Fresken zeigen Szenen aus dem Leben des Noah, sein Opfer und die Sintflut.

Begonnen hatte das Projekt freilich mit einer Intrige. Neider des Bildhauers Michelangelo Buonarroti (1475-1564), darunter sein Berufskollege Bramante, empfahlen ihn dem Papst für die Neugestaltung der Kapellendecke. Sie erwarteten, dass Michelangelo, der gerade mit einem gewaltigen Grabmonument für Julius II. beschäftigt war und der als Maler kaum Erfahrungen hatte, sich mit diesem Projekt gründlich blamieren würde.

Hat er nicht, im Gegenteil. Er erledigte den päpstlichen Auftrag praktisch im Alleingang. Die anfangs aus Florenz hinzugezogenen Kollegen wurden bald wieder nach Hause geschickt; der Künstler ließ sich nur von einem Farbenmischer unterstützen. Zudem umgab er seine Arbeit mit dem Schleier des Geheimnisvollen: Niemand durfte die unvollendeten Fresken sehen. In den Bereich der Legende gehört freilich die These, Michelangelo habe die Deckenfresken liegend gemalt - und die Farbe sei ihm in den Bart getropft. Rekonstruktionen seines Gerüsts haben ergeben, dass der Maler bei dieser Arbeit durchaus sitzen und sogar stehen konnte. Seine Halswirbelverkrümmung rührte nicht von diesem Auftrag her, sondern weil er bei seiner Arbeit stets den Kopf in den Nacken hielt.

Michelangelo habe sich bisweilen darüber beklagt, dass der Papst ihn zur Hast angetrieben und er die Arbeit am Deckenfresko nicht wunschgemäß habe ausführen können, schrieb der Künstler-Biograph Giorgio Vasari (1511-1574). Julius II. habe ihm sogar gedroht, ihn vom Gerüst zu werfen, wenn er nicht bald fertig werde. "Worauf denn Michelangelo unverzüglich das Fehlende vollendete, das restliche Gerüst wegnahm und am Morgen von Allerheiligen, als der Papst in der Kapelle die Messe las, sein Werk zur Befriedigung der ganzen Stadt aufdeckte."

Als das Deckenfresko der Sixtina in den 1980er Jahren gereinigt wurde, gab es viel Bewunderung und Beifall, aber auch Kritik. Die zuvor düsteren Fresken waren auf einmal hell und bunt – zu grell und poppig, wie mancher meinte. Erst als auch die übrigen Teile der Kapelle, insbesondere das "Jüngste Gericht" vom Schmutz und Kerzenruß der Jahrhunderte gesäubert wurden, relativierte sich das Bild. Denn auch in diesem Spätwerk Michelangelos strahlte nun das originale Ocker, Blau, Hellgrün und Gelb wieder auf, und es bot sich das Bild eines einheitlichen Ensembles.

Gedanken machen sich die vatikanischen Denkmalschützer über die Belastung der Fresken durch die ständig steigenden Besucherzahlen. Gefahr droht vor allem von aufgewirbeltem Staub, von Schweiß und Ausdünstungen. Die Kapelle hat eine ausgefeilte Klima- und Luftfilteranlage - die allerdings noch auf drei Millionen Besucher jährlich ausgelegt ist. Mittlerweile sind es fünf Millionen.

Informationen der Vatikanischen Museen - mv.vatican.va
Bilder: dpk-Archiv

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014