Dein war mein ganzes Herz

REST DER WELT / ZÜRICH / LAND DES LÄCHELNS

05/07/17 Andernorts hat die Operette längst auf den Opernbühnen ihr Revival erlebt. In Zürich hat man in der Ära Homoki bisher einen Bogen darum gemacht. Umso erfreulicher ist es, dass Andreas Homoki nun Léhars romantisches „Land des Lächelns“ auf den Spielplan gesetzt und auch gleich selbst inszeniert hat.

Von Oliver Schneider

Richard Tauber sang die Titelpartie 1929 bei der Uraufführung in Berlin und trug mit seinem strahlkräftigen Namen dazu bei, dass das Werk mit Hits wie „Dein ist mein ganzes Herz“ oder „Von Apfelblüten einen Kranz“ zu einer der beliebtesten Operette der silbernen Ära wurde.

Homoki hat den Mix aus großer veristischer Oper – Léhar war ein Bewunderer und Freund von Puccini –, leichtbeschwingter Walzerseligkeit, Schlagern und Revue-Einlagen größtenteils von den Dialogen befreit, so dass zum Beispiel dem romantischen Entrée des Prinzen „Immer nur lächeln“ gleich das gleichsam im Plauderton komponierte Duett „Bei einem Tee à deux“ zwischen Lisa und Sou-Chong folgt. Die Wienerin Lisa und der umschwärmte Sou-Chong sind das tragische Liebespaar, für das es nach der Rückkehr von Sou-Chong in seine Heimat aufgrund der unterschiedlichen Kulturen keine Zukunft gibt.

Der Handlung kann man trotzdem problemlos folgen. Der Vorteil dieser Fassung ist: Es gibt keine Ungereimtheiten zwischen dem doch aus der Zeit gefallenen Text und dem, was auf der Bühne passiert. Homoki lässt den Abend in einem Revuetheater spielen. Mit schwarzer Wendeltreppe, die den Protagonisten, dem Chor, den Tänzerinnen und den Statisten eindrucksvolle Auftritte ermöglicht (Bühne: Wolfgang Gussmann). Damit setzt Homoki die Handlung auch in den Kontext der Entstehungszeit – die Uraufführung 1929 fand zwei Wochen vor dem großen Sturz an der New Yorker Wertpapierbörse statt. Aus dem fernöstlichen Prinz ist ein Attaché geworden, der unerwartet zum Ministerpräsidenten ernannt wird und nun in China ganz traditionell vier Frauen heiraten muss. Seine europäische Geliebte hingegen ist in seiner Heimat nur so viel wert wie eine Sklavin, was die schon emanzipierte Lisa nicht akzeptieren will und auf die Liebe verzichtet.

Ermüdend ist allenfalls, dass der schwarz-glitzernde Bühnenvorhang sich allzu oft öffnet und schließt. Ansonsten ein rundherum kurzweiliger, nicht nur musikalisch abwechslungsreicher Abend. Homoki und sein Regieteam (Choreografie: Arturo Gama) reihen revuehafte Tableaus, hoch-romantische, rührselige Szenen zwischen den Protagonisten und vor allem nach der Pause witzige Momente Buffoszenen aneinander. Köstlich gestalten Sou-Chongs Schwester Mi und Graf Gustav von Pottenstein, der eigentlich die von ihm angebetete Lisa nach Wien zurückholen will, ihr Duett „Meine Liebe, deine Liebe“. Sou-Chongs Oheim Tschang (Cheyne Davidson) repräsentiert unerbittlich die konfuzianische Tradition, die Sou-Chong und Lisa das persönliche Glück verwehrt. Und der Obereunuch (Martin Zysset) ist eine Hofschranze der übleren Sorte.

Generalmusikdirektor Fabio Luisi und die Philharmonia Zürich fühlen sich auch in diesem Repertoire heimisch und haben hörbar Spaß damit. Im großen Schlussduett von Lisa und Sou-Chong spielen sie mit leidenschaftlicher Verve, als wäre es eine „Butterfly“ – oder eben „Turandot“. Die Spielfreude merkt man ihnen aber genauso in den revueartigen Momenten und Buffo-Szenen an.

Für die beiden Protagonisten, für die es anders als in den Operetten der goldenen Ära kein Happy End gibt, sind große Opernstimmen nötig. Julia Kleiter gibt als Lisa die Operettendiva in eleganter schwarzer Robe, die mit dieser Partie die Richtung ihrer stimmlichen Entwicklung klarmacht. Dass Piotr Beczala mit Charisma und Schmelz der Publikumsliebling sein würde, war sowieso klar. Rebecca Olvera als seine Schwester Mi ist eine charmante Komödiantin und alles andere als eine leichtgewichtige Soubrette, die ebenso wie ihr Bruder Gefallen am Europäischen gefunden hat. Doch auch für sie bleibt der angehimmelte Graf Gustav (Spencer Lang) schlussendlich außer Reichweite.

Weitere Aufführungen bis 13. Juli, und ab 10. Juni 2018 – www.opernhaus.ch
Bilder: Opernhaus Zürich / Toni Suter + Tanja Dorendorf