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Ulenspiegel ist ein Freischärler

REST DER WELT / OPERNREISE CHEMNITZ, GERA, DRESDEN (2)

08/02/11 Im Theater Altenburg-Gera aus. Hier bemüht sich seit 2006 Matthias Oldag um ein Programm, das den Spagat wagt zwischen den üblichen Publikumsrennern und Produktionen abseits des Mainstreams. Aktuell spielt man die nahezu unbekannte "Ulenspiegel"-Oper von Walter Braunfels.

Von Joern Florian Fuchs

Und prompt hagelt es Kritik: man müsse keine teuren Gäste im Ensemble haben, außerdem seien viele Inszenierungen (auch diese) zu teuer. Matthias Oldag schließlich sei als Intendant in erster Linie Selbstdarsteller mit eigener Luxushomepage. Tatsächlich sang den Ulenspiegel der kanadische Tenor Keith Bold (er war leider bei der Premiere indisponiert), allerdings ist Bold Ensemblemitglied im nahen Leipzig. Für das Bühnenbild wurde Stephan Braunfels (der Enkel des Komponisten) gewonnen, er erhielt nur eine Minigage. Der Druck auf Oldag kommt hauptsächlich von der Geraer FDP-Fraktion, die irgendwie ein Problem mit der wachsenden überregionalen Bedeutung des Hauses zu haben scheint. Zur Wahrheit gehört freilich auch ein Defizit von 1,8 Millionen Euro, dessen Bekanntwerden vor ein paar Monaten zur Kündigung der Finanzdirektorin führte - diese Kündigung hat ein Gericht jüngst zurückgewiesen. Offenkundig handelt es sich um Schlampereien und vernachlässigte Kontrollpflichten, von bzw. auf welcher Seite, dies harrt noch der Klärung.

Mit dem "Ulenspiegel" jedenfalls landete Gera einen großen Erfolg, anwesend war ein internationales Publikum aus Fachleuten und Fans. Walter Braunfels' Oper wurde fast 100 Jahre nach ihrer Uraufführung erstmals wieder gespielt, der Komponist gehört zu den im Dritten Reich verfolgten Künstlern, heute kennt man von ihm allenfalls das Musiktheater "Die Vögel" nach Aristophanes. "Ulenspiegel" basiert auf dem Roman von Charles de Coster, der den Narren im Spanisch-Niederländischen Krieg auftreten lässt. Zu viele Possen reißt selbiger allerdings nicht, stattdessen wird er zum Freischärler und kämpft auf Seiten der Geusen gegen die französischen Besatzer Flanderns. Sehr düster ist das alles: Tills Vater wird zu Tode gefoltert, seine Geliebte entgeht nur knapp der Inquisition und Till selbst sieht am Ende der Oper seinem nahen Tod entgegen.

Walter Braunfels schrieb eine wahre Thrillermusik, durchzogen von Wagner-Anklängen und Strauss-Räuschen, aber doch eigenständig, komplex, bühnenwirksam. Eng verflochtene Motivketten münden immer wieder in eine fast schon archaische Klanglandschaft, überwältigend ist die Scheiterhaufenszene, wo Bach'sche Erlösungsmusik auf dunkel drohende Gregorianikfragmente trifft. Auch in Gera war die musikalische Umsetzung (Leitung Jens Troester) exzellent, Regisseur Matthias Oldag vermischt historisierende und heutige Elemente, was größtenteils aufgeht, nur am Bühnennebel hätte man ruhig etwas sparen dürfen. Das passende, ästhetisch schöne Bühnenbild aus diversen geometrischen Raumteilen schuf besagter Komponisten-Enkel, der Architekt Stephan Braunfels.

Nach zwei gelungenen Premieren in Gera und Chemnitz gab es am Wochenende leider auch eine veritable Enttäuschung. Die Dresdner Staatsoperette (auch ein Haus, das nicht gerade überfinanziert ist und einen Umzug von Dresdens Peripherie in die Stadt plant) zeigte Stephen Sondheims Musical "Passion" als deutsche Erstaufführung. Hier steht ein junger Soldat zwischen zwei Frauen, die eine ist todkrank und liebt ihn bedingungslos, die andere ist lebenslustig, aber etwas oberflächlich. Zwei lähmende Stunden läuft ein sich bald abnutzender Pathos-Soundtrack vorüber, vieles ist vorhersehbar (und -hörbar), dazu wird ein vorwiegend künstliches, geschwollenes Deutsch gesungen – sehr klebrig, das Ganze.

Zum ersten Teil {ln:Funde aus dem Opernarchiv}

 

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