Berlinale goes 3D

REST DER WELT / BERLINALE

14/02/11 Mit Wim Wenders’ Tanzfilm „Pina“, dem Höhlenepos „Cave of Forgotten Dreams“ von Werner Herzog und dem französischen Animationsfilm „Les Contes de la Nuit“ (Tales of the Night) von Michel Ocelot hat auch die jüngste technische Kinoentwicklung Einzug in den Berlinale-Palast gehalten.

Von Renate Wurm

Als vor drei Jahren das Filmfestival am Lido von Venedig zu einer 3D Sondervorführung von Tim Burtons „Nightmare before Christmas“ lud, wurde dieses Event mit etwas Skepsis, aber durchaus großer Neugier verfolgt. Ausgestattet mit einer etwas antiquierten Brille konnte man den 3D-nachbearbeiteten Animationsfilm nach Jahren mit neuen visuellen Erlebnissen wieder sehen – weniger schön waren die nachhaltigen Kopfschmerzen nach der Vorstellung.

Inzwischen ist die Technologie perfektioniert worden, die Brillen drücken nicht mehr wie Blei auf der Nase und das Kinoerlebnis hat einen neuen Hype bekommen. Ein Hollywood-Kinderfilm ohne 3D Effekt lockt keine Kids mehr in die Kinosäle und spätestens seit dem Kassenschlager „Avatar“ gehört diese Sparte zum „Must“ der Filmindustrie.

Unbestrittener Höhepunkt dieses dreidimensionalen Festival-Sonntags war die Weltpremiere von Wim Wenders’ Tanzfilm „Pina“. Der Berlinale-Liebling hat bereits im Vorfeld für einen gehörigen Medienrummel gesorgt und verkündet, dass er sich sein künftiges Filmschaffen ohne 3D nicht mehr vorstellen kann. Sein Tanzfilm-Projekt wurde jedoch noch vor Beginn der Dreharbeiten vom unerwarteten Tod der Tänzerin und Choreografin Pina Bausch im Sommer 2009 überschattet. Aus einem Film mit Pina wurde eine Hommage an „Pina“, die kommentiert vom gesamten Ensemble des Tanztheaters Wuppertal einen Einblick in die jahrzehntelange Arbeit der Künstlerin entwirft.

Mit seinem Gespür für ungewöhnliche Orte und Szenerien lässt Wim Wenders die Tänzer auf der Bühne, unter der Schwebebahn mitten in der Stadt und im Umland von Wuppertal tanzen, wobei er Choreographien aus Pina Bauschs bekanntesten Kreationen wie „Café Müller“, „Le Sacre du Printemps“, „Vollmond“ und „Kontakthof“ in bildgewaltige Einzelteile zerlegt. Dies gelingt in vielen Szenen grandios und eindrucksvoll, wo die neuen Möglichkeiten des Mediums wahrlich eine weitere Dimension eröffnen, etwa wenn zum Beispiel die Tänzer an einem vorbei zu gleiten scheinen, so dass man glaubt, den zarten Hauch des Vorhangs zu spüren. „Pina“ ist ein Augen- und Ohrenschmaus für all jene, die Tanztheater und die Arbeit von Pina Bausch lieben.

Für Wim Wenders ist die Zukunft des Dokumentarfilms auf alle Fälle dreidimensional: „Es ist gut vorstellbar, dass in ein paar Jahren niemand mehr einen Dokumentarfilm anders sehen will als in 3D.“ Das wird die Zukunft weisen, ebenso ob sich sein Film in den großen Kinoketten behaupten wird können – höchste Zeit, dass die neue Technologie auch in den Arthauskinos Einzug halten kann.

Die Berlinale dauert bis 20. Februar. - www.berlinale.de
Bilder: Berlinale


Mit Cowboy-Stiefeln ins Berlinale-Rennen

REST DER WELT / BERLINALE

11/02/11 Die junge Mattie will den Mörder ihres Vaters finden und heuert dafür den raubeinigen, versoffenen Marshall „Rooster“ Cogburn (Jeff Bridges) an. Die Kult-Stars des amerikanischen Independent-Kinos, das Regie-Duo Joel und Ethan Coen, eröffneten am Donnerstag (10.2.) mit dem Western „True Grit“ die 61. Internationalen Filmfestspiele Berlin.

Von Renate Wurm

Mit köstlichen Dialogen und in der typisch lakonischen Coen-Manier verstehen es die beiden Brüder das Western-Genre wieder Salo(o)n-fähig zu machen. Es ist eine Neuinterpretation des Western-Klassikers „Der Marshall“ (mit John Wayne) aus dem Jahr 1969. Das unbedarfte Mädchen spielt die erst 14jährige Hailee Steinfeld entschlossen, mutig und ebenbürtig mit den alten Haudegen des Filmgeschäfts – ein Name, den man sich merken wird. Grandios wie immer Jeff Bridges, Oscar-Preisträger von „Crazy Heart“, der auch hier seine Rolle als Trunkenbold erfolgreich fortsetzt: Denn „leere Whiskey-Flaschen pflastern seinen Weg“. Der Film wurde bereits für zehn Oscars nominiert und wird gleich nach der Berlinale in den Kinos anlaufen.

Beim Studieren des Festival-Katalogs vermisst man auf den ersten Blick die Altmeister und Stammgäste des europäischen, amerikanischen und asiatischen Kinos. Festival-Direktor Dieter Kosslick hat bei seiner Auswahl einer jüngeren, weniger bekannten Generation von Regisseuren Platz eingeräumt. Nach der Jubiläumsausgabe des letzten Jahres wollte er „sich auf die Anfänge des Festivals besinnen.“ Dies ist einerseits sehr erfreulich, da man den Wettbewerb oft nur noch als Sprungbrett und Gratis-PR-Maschinerie für die anschließende Auswertung im Kino empfunden hat. Die Entdeckungen und Kleinode machte man eher in den Neben-Schienen „Panorama“ und „Forum“ aus. Aber andererseits ist der Konkurrenzkampf selbst für etablierte Festivals enorm groß geworden. So hat der härteste Berlin-Konkurrent Cannes bereits vor Beginn der Festivals seinen Eröffnungsfilm mit Woody Allen angekündigt und das Who-is-Who des Films präsentiert sich lieber an der sonnigen Croisette in Cannes oder am Lido von Venedig, auch wenn dort der Putz schon etwas von den Palazzi bröckelt.

Dennoch hat Berlin auch dieses Jahr seine Stars: Kevin Spacey, Demi Moore, Diane Kruger oder Ralph Fiennes werden dem roten Teppich alle Ehre erweisen. Wer aber das Rennen um den „Goldenen Bären“ machen wird, entscheidet die siebenköpfige internationale Jury unter dem Vorsitz von Isabella Rossellini, der u.a. auch die deutsche Schauspielerin und ehemalige Buhlschaft Salzburgs Nina Hoss angehört.

Auch die jüngste technische Kinoentwicklung hat Einzug in den Berlinale-Palast gehalten. Als europäische Premiere wird der 3D-Dokumentarfilm „Cave of Forgotten Dreams“ von Werner Herzog präsentiert. Mit Wim Wenders’ Tanzfilm „Pina“ über die im Herbst verstorbene Choreografin Pina Bausch und dem Animationsfilm „Les Contes de la Nuit“ (Tales of the Night) sind insgesamt drei 3D-Filme am Sonntag im offiziellen Programm zu sehen.

Aus Solidarität mit dem iranischen Regisseur Jafar Panahi, der in seinem Land zu sechs Jahren Haft und zu einem Berufsverbot für 20 Jahre verurteilt wurde, setzte die Berlinale politisch ein Zeichen für die Freiheit der Kunst. Der Filmemacher wurde symbolisch als Mitglied in die internationale Jury eingeladen. Zum Jahrestag der Iranischen Revolution, am 11. Februar, wird als Sondervorführung sein letzter Film “Offside“ (2006) gezeigt.

Auch vier österreichische Beiträge sind auf der Berlinale vertreten: die intelligente Nazi-Komödie „Mein bester Feind“ von Wolfgang Murnberger („Der Knochenmann“, „Silentium“) mit Moritz Bleibtreu und Georg Friedrich in der Hauptrolle, läuft außer Konkurrenz in der Wettbewerbs-Schiene. Das Erstlingswerk von Marie Kreutzer „Die Vaterlosen“ ist in der renommierten Panorama-Reihe vertreten. Im 41. Forum der Berlinale sind weiters die Wiederaufführung von Michael Pilz’ Langzeitbeobachtung „Himmel und Erde“ von 1982, einen fast fünfstündigen Filmessay über die Bewohner eines Bergdorfes in der Steiermark, und das Spielfilmdebut „Folge mir“ von dem Schweizer Johannes Hammel zu sehen.

Die Berlinale dauert bis 20. Februar. - www.berlinale.de
Bilder: Berlinale