asdf
 

Festspielwürdige „Götterdämmerung“

REST DER WELT / MÜNCHEN / RING

10/07/12 Was sich bereits beim „Siegfried“ abzeichnete, ist mit der „Götterdämmerung“ in der Bayerischen Staatsoper zur Gewissheit geworden. Generalmusikdirektor Kent Nagano hat sich in die erste Liga der Ring-Dirigenten katapultiert.

Von Oliver Schneider

Nicht enden wollenden Jubel gab es am Sonntagabend nach der zweiten Aufführung von Richard Wagners „Götterdämmerung“ in der ersten zyklischen Gesamtaufführung der gesamten Tetralogie. Am größten war er wohl für Nina Stemme, die mit ihrem leuchtenden Sopran eine Brünnhilde der Sonderklasse ist. Sie verfügt über üppige Farben, eine klangvolle Mittellage und vor allem ausreichend Kraft. Bei den „starken Scheiten“ am Ende des rund sechsstündigen Abends klingt ihr ausdrucksvoller Sopran noch genauso ausgeruht wie im Vorspiel, als sie sich von Siegfried verabschiedet. Im Moment gibt es wohl keine Sängerin, die der Stemme in dieser Partie das Wasser reichen kann. Als Naturbursche Siegfried ist wieder Stephan Gould im Einsatz. Auch ihm darf man uneingeschränkt attestieren, mit seinem baritonal gefärbten Heldentenor, seiner gerundeten Mittellage und sicheren Vollhöhe wohl die zurzeit beste Wahl für diese Partie zu sein.

Eric Halfvarson war kurzfristig in der Premiere als Urbösewicht Hagen eingesprungen. In der zweiten Vorstellung übernahm Attila Jun die Partie. Ihm fehlt es zwar an nicht an fahler Schwärze, aber die Drahtzieherrolle in der Verschwörung gegen Siegfried nimmt man ihm nicht wirklich ab. Sein Gesang und sein Spiel wirken zu brav und auch ein wenig zu distinguiert. Wäre Jun von Anfang an bei der Produktion dabei gewesen, wäre sein Rollenporträt sicherlich prägnanter gelungen. Für die nächste Vorstellung ist wiederum Eric Halfvarson angekündigt. Alberich gibt wiederum Wolfgang Koch, der zu den sicheren Werten des neuen Münchner Ringes gehört.

Iain Peterson ist als Gunther stimmlich souverän und weiß den charakterschwachen, wankelmütigen König darstellerisch vollends auszufüllen. Seine Schwester Gutrune, die in der Inszenierung von Andreas Kriegenburg nur ein Flittchen der besseren Gesellschaft ist und wie ihr Bruder Gunther zum Spielball Hagens wird, überzeugt mit ihrem tragfähige Sopran. Michaela Schuster warnt ihre Schwester Brünnhilde mit großer und klarer Stimme. Auf hohem Niveau komplettieren die drei Nornen (Jill Grove, Jamie Barton, Irmgard Vilsmaier) und die Rheintöchter (Eri Nakamura, Angela Brower, Okka von der Damerau) das Ensemble. Schließlich tragen der Chor und der Extrachor des Hauses mit großem und mächtigem Klang Wesentliches zum hervorragenden musikalischen Gesamteindruck bei (Einstudierung: Sören Eckhoff).

Kent Nagano hat sich in die erste Liga der Ring-Dirigenten katapultiert. Er garantiert mit dem bestens disponierten Staatsorchester einen breit gefächerten, durchsichtigen modulierten Orchesterklang, gepaart mit großartig ausgesteuerten Effekten. Siegfrieds Trauermarsch wird zu einem konzertanten Höhepunkt, bei dem Nagano für einmal das Orchester dynamisch ohne jede Rücksicht aufrauschen lassen darf. Ansonsten weiß er trotz der Vorgaben der Partitur die Balance zwischen Graben und Bühne jederzeit zu garantieren.

Schade, dass dieser so eindrücklich musizierte Trauermarsch mit einer Flugblattaktion bebildert ist, womit die Reihe an der Regie ist. Während Andreas Kriegenburg die ersten drei Teile der Tetralogie plausibel als einen Mythos für moderne Menschen erzählt hat, bei dem er teilweise stimmige Bilder mit Bewegungschören geschaffen hat, kommt er mit der Gibichungen-Welt im Heute an. In der Nornenszene erinnert er an Fukushima, die macht- und besitzgierigen Gibichungen sind in einem Glaspalast zu Hause, der an einen innerstädtischen Einkaufstempel in der bayerischen Landeshauptstadt erinnert (Bühne: Harald B. Thor, Kostüme: Andrea Schraad). Hier regiert der Euro, was die große Tafel in der Form des Euro-Zeichens und Gutrunes Euro-Schaukelpferdchen symbolisieren. Die Personenzeichnung ist unterschiedlich scharf. Stärker bei Gunther und seiner Schwester Gutrune, zwischen denen Kriegenburg ein inzestuöses Verhältnis diagnostiziert, schwächer bei Brünnhilde und Siegfried. Kriegenburg kehrt sich mit der realen Verortung der „Götterdämmerung“ nicht ganz von seinem Konzept für den Rest der Tetralogie ab, denn nachdem Brünnhilde Walhall in Brand gesetzt hat, wird sie von jungen Frauen und Männern in ihren Kreis aufgenommen, die für einen Neuanfang stehen.

Insgesamt gehört der neue Münchner Ring musikalisch wohl zum Besten, was man zurzeit in den großen und kleineren Opernhäusern hören kann. Das Regiekonzept ist interessant, aber unauffällig. Kriegenburg sucht nicht nach neuen Zugangswegen, vielleicht ist für den Moment auch alles über Wagners Werk gesagt? Jedenfalls ist seine Arbeit so abwechslungsreich, dass man nicht wie bei anderen jüngeren Ringproduktionen gerne auf das Szenische verzichten würde.

Die dritte und letzte Aufführung während der Münchner Opernfestspiele am 15. Juli ist bereits ausverkauft. Live-Übertragung ab 17.00 Uhr auf den Max-Joseph-Platz in München sowie als Live-Stream kostenlos im Internet auf www.staatsoper.de.
Nächste zyklische Aufführungen in der Saison 2012/3 im Jänner und Juli 2013.

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014