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Lucia verliebt sich in James Dean

REST DER WELT / MÜNCHEN / LUCIA DI LAMMERMOOR

27/01/15 Mozart, Strauss und natürlich Wagner – diese Komponisten verbindet man mit Münchens Generalmusikdirektor Kirill Petrenko. Aber Gaetano Donizetti? Die neue Münchner „Lucia di Lammermoor“ ist sein erster Ausflug ins Belcantofach, und der ist mehr als gelungen.

Von Oliver Schneider

Der Münchner Aufführung hat Petrenko die kritische Edition von Gabriele Dotto und Roger Parker zu Grunde gelegt. Sie liefert zu des Komponisten teilweise nur flüchtig notierten Notentext erläuterndes Quellenmaterial. Das erlaubt Petrenko, Donizetti genauso sorgfältig erklingen zu lassen, wie in den letzten Jahren Wagner in Bayreuth oder Strauss und Mozart in München. Wer routiniertes Belcanto-Brio erwartet, wird enttäuscht. Wer die Ohren spitzt, hört, wie spannend Donizetti sein kann. Vor allem die Mittelstimmen und die Holzbläsersoli – die Solisten sitzen wie der Glasharmonika-Spieler Sascha Reckert etwas erhöht im Graben. Aber Petrenko verliert sich nicht im Detail, sondern behält den Blick für das Ganze, setzt die Akzente und ist vor allem ein einfühlsamer Sängerdirigent.

Zumindest Pavol Breslik als Edgardo wird ihm dafür dankbar sein, denn mit seiner nicht allzu großen, dafür weichen, lyrisch geschulten Stimme müsste er sonst auch ziemlich kämpfen. So kann er sich ganz auf das Zeichnen eleganter Phrasen konzentrieren. Als Lucia brilliert Diana Damrau, die damit bereits ihre fünfte Premiere an der Bayerischen Staatsoper bestreitet. In der von der Glasharmonika begleiteten Wahnsinnsszene beweist sie, dass sie wohl die Lucia unserer Tage ist. Wie perfekt ist ihr Messa di voce, wie messerscharf sitzen die Spitzentöne, wie beseelt sind ihre Fiorituren. Und genauso überzeugt die Damrau, wenn sie auf Linie singt. Zweifel sind hingegen angebracht ob ihres Spiels.

Als ihr von Macht besessener Bruder Enrico Ashton trumpft Dalibor Jenis mit metallischem Timbre auf, Georg Zeppenfeld gibt einen großstimmigen, sonoren, charakterlich aber zwielichtigen Raimondo. Undankbar ist die Partie des Arturo, den Lucia auf Willen ihres Bruders heiratet, um die Familie Asthon aus der finanziellen Schieflage zu befreien: Emmanuele d’Aguanno verleiht ihm seinen schmiegsamen Tenor. In den kleinen Partien überzeugen Rachael Wilson als Lucias Vertraute Alisa und Dean Power als Normanno. Der Chor des Hauses (Einstudierung: Stellario Fagone) zeigt sich in hervorragender Form.

Die junge polnische Regisseurin Barbara Wysocka gab mit der „Lucia“ ihr Hausdebüt. Schottland im 17. Jahrhundert ist für sie zeitlich zu weit entfernt, um über Macht und Liebe zu einem heutigen Publikum zu sprechen. Sie sieht die 50er und 60er Jahre des letzten Jahrhunderts als geeignetere Periode an. Ihre moderne Romeo und Julia-Geschichte projiziert sie auf den Kennedy-Clan. Gespielt wird in einem heruntergekommenen Ballsaal (Bühne: Barbara Hanicka, Kostüme: Julia Kornacka) als Zeichen für die Ausweglosigkeit der Liebe zwischen Lucia und … James Dean, der mit seinem Chevrolet aufkreuzt. Lucia ist bei Wysocka eine emanzipierte Frau, die ihrem Bruder Paroli bieten kann. Mit dem Bild der Frau im 19. Jahrhundert kann sie nichts anfangen. Die Deutung passt bestens zu Diana Damraus Spiel, die je länger je mehr sich selbst auf der Bühne spielt und nicht eine Rolle interpretiert.

Gegen die Idee an sich ist nichts einzuwenden. Ob die „Lucia“ nun im 17. oder 20. Jahrhundert spielt, eine tragisch endende Liebesgeschichte ist nicht zeitabhängig. Störend ist, dass die charakterliche Deutung Lucias einen Bruch erfährt. Als Enrico ihr den gefälschten Brief vorlegt, der ihr Edgardos angebliche Untreue vorspiegelt, ist ihre Stärke dahin. Wenig glaubwürdig ist auch die Wahnsinnsszene, in der die Damrau mehr eine Hysterikerin als eine Wahnsinnige mimt. Hier hätte es der helfenden Hand der Regisseurin gebraucht, der auch in anderen Szenen nicht viel mehr als die üblichen Standardgesten eingefallen sind. Schade, aus der guten Idee hätte man mehr machen können. Und eine Lucia al Kind wäre auch nicht nötig gewesen.

So wird diese dritte Münchner Opernpremiere der Saison vor allem musikalisch in Erinnerung bleiben. Szenisch bietet der Abend immerhin einen guten Ansatz, andernorts gibt es oft nicht einmal das.

Weitere Aufführungen am 29. Jänner, 1., 5., 8. und 11. Februar sowie während der Opernfestspiele am 22. und 25. Juli (im Sommer teilweise alternative Besetzung und am Pult Oksana Lyniv) – www.staatsoper.de
Übertragung am 8. Februar ab 18 Uhr, kostenlos auf www.staatsoper.de/tv

 

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