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Macht oder Liebe?

REST DER WELT / THEATER AN DER WIEN / ELISABETTA

21/03/17 Mehr als dreitausend prunkvolle Gewänder soll die echte Elisabeth besessen haben, um sich als machtvolle Herrscherin zu inszenieren. Diese Kleider bilden auch die Grundidee von Amélie Niermeyers Inszenierung. Mit Gioacchino Rossinis „Elisabetta, regina d’Inghilterra“ schließt das Theater an der Wien seinen Shakespeare-Zyklus ab. Der Abend überzeugt sowohl szenisch als auch musikalisch nur teilweise.

Von Oliver Schneider

Spielen die Musikerinnen und Musiker des französischen Ensemble Matheus unter der Leitung von Jean-Christophe Spinosi im Graben nicht die Sinfonia zu „Il barbiere di Siviglia“? Mitnichten, denn bei kurzen Produktionszeiten neuer Opern war Musik-Recycling im 18. und 19. Jahrhundert gang und gäbe. Unabhängig davon, ob es mal eine Opera buffa oder eine Opera seria war. So entstand die gespielte Sinfonie ursprünglich 1813 für die Oper „Aureliano in Palmira“. Rossini übernahm sie dann 1815 für seine erste Oper für Neapel, die „Elisabetta“ – und zuletzt 1816 für den „-Barbiere“. „Elisabetta, regina d’Inghilterra“ entstand als Huldigungsoper für den wieder eingesetzten Bourbonen-König Ferdinand IV, nachdem Napoleon endgültig geschlagen war.

Inszeniert hat die Opera seria um die große Herrscherin und Politikerin Amélie Niermeyer, der im letzten Herbst mit Gaetano Donizettis „La Favorite“ in München eine recht überzeugende Deutung gelungen ist. In beiden Werken geht es um Macht und Liebe, und beide sind nicht ganz einfach mit heutigen Mitteln auf die Bühne zu bringen.

In Wien lassen Niermeyer und ihr Regieteam den Abend zwischen sich verschiebenden bräunlich verblichenen Goldwänden spielen. Wie so häufig, stehen sich verengende Räume für seelischen oder körperlichen Druck auf die Protagonisten.

Das Libretto von Giovanni Federico Schmidt beruht auf einer Vorlage von Carlo Federici: Der von Elisabetta geliebte Leicester ist hier heimlich mit Matilde, der Tochter der katholischen Maria Stuart, verheiratet. Sie reist ihrem Mann an den Hof nach England nach, wo als Führer der königlichen Truppen über die Schotten gefeiert wird. Durch den Intriganten Norfolc erfährt Elisabetta von der Anwesenheit ihrer Rivalin. Großmütig verzichtet sie aber schlussendlich auf Leicester, um sich fortan ganz der Politik zu widmen.

Mehr als dreitausend prunkvolle Gewänder soll die echte Elisabeth besessen haben, um sich als machtvolle Herrscherin zu inszenieren. Diese Kleider bilden auch die Grundidee von Niermeyers Inszenierung. In prunkvollen, an die Renaissance erinnernden Roben tritt Elisabetta als Herrscherin über Tod und Leben auf. Und diese Roben werden auch dann auf der Bühne hin- und her geschoben, wenn die Macht Elisabettas für die anderen nur spürbar ist.

Höhepunkt der Symbolik bildet das Finale des ersten Akts, in dem auch die Höflinge schwarze Roben tragen (gut und konzentriert der Arnold Schoenberg Chor). Leicesters karierte Kleidung erinnert an Schottland, ansonsten überwiegen die auf der Bühne nicht mehr wegzudenkenden Tages- und Abendanzüge. Stülpt Elisabetta ihre „Machthülle“ ab, ist auch sie nur noch eine um Liebe kämpfende Frau im Hosenanzug. Doch eine Idee für einen rund dreistündigen Abend ist zu wenig, obwohl sich Niermeyer redlich um eine Personenzeichnung bemüht. Am besten gelingt ihr das noch beim intrigierenden, schmierigen Höfling Norfolc - Barry Banks, der sich im Laufe des Abends frei singt und als souveräner Rossini-Tenor erweist.

Entschädigen kann auch die musikalische Seite nur bedingt. Besserte sich zumindest die Koordination zwischen Bühne und Graben im Laufe des Premierenabends, so will das raue Spiel des Ensemble Matheus nicht wirklich zu Rossinis Leichtigkeit passen. Und so sehr Spinosi an den begleiteten Rezitativen gearbeitet hat, manche wirken aufgrund extremer Tempi und gedehnter Pausen zu bedeutungsschwer.

Alexandra Deshorties gestaltet die Titelpartie als eine Frau, die zwischen ihren Gefühlen und dem Machtstreben aufgerieben wird. Und belcantistisch-romantische Expressivität hat nichts mit reinem Schöngesang zu tun, aber Deshorties schien zumindest am Freitag technisch mit der Partie schlicht überfordert zu sein. Norman Reinhardt stattet den Leicester mit sensiblen Kantilenen aus und überzeugt mit sicheren Koloraturen. Erik Årman ist ein adäquater Vertrauter Guglielmo. Neben Reinhardt und Banks bilden Ilse Eerens als Matilde mit leichter Stimmführung in den Verzierungen und die Mezzosopranistin Natalia Kawalek mit schlanker Stimmführung vokale Leuchttürme.

Elisabetta, regina d’Inghilterra – weitere Vorstellungen im Theater an der Wien 21., 24., 26. und 28. März - der ORF sendet die Oper  am 1. April um 19.30 im Programm Ö1
Bilder: Theater an der Wien/Herwig Prammer

 

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